Das kleine Gos-ABC: E wie Entspannung

September 10, 2023

Ich bin sicher, der Begriff „Entspannung" löst bei vielen sofort ein Kopfkino mit angenehmen Dingen aus: Abschalten bei schöner Musik, ein gutes Buch lesen oder ein langer Spaziergang... Entspannung ist ein angenehmes Gefühl -  auch für unsere Hunde. 

 


Gubacca war von Anfang an ein kleiner "Entspannungskünstler" - egal wie unruhig es um ihn herum war  - er legte sich hin und schlief. Ich muss immer lachen, wenn ich  daran denke, wie wir neue Wohnzimmerfenster bekamen und dieser kleine Zwerg - er war damals 14 Wochen alt - sich mitten in das Chaos legte und schlummerte. Wissenschaftlich gesehen ist die Entspannung jedoch eine reine Funktion des Gehirns, bei der verschiedene Neuronennetze für einen angemessenen Erregungslevel sorgen.  Damit das funktioniert braucht der Zustand der Entspannung einen  Gegenspieler  und der heißt „Erregung".  Jeder von euch kennt bestimmt den Spruch "Jetzt entspann' dich doch mal", wenn jemand so richtig schön in Rage geraten ist.  Denn bei der Entspannung wird das Erregungsniveau im Gehirn gesenkt.  Das Wechselspiel von Erregung und Entspannung ist auch bei unseren Hunden wichtig, damit sie auf Situationen angemessen reagieren können. Wie schnell sich der Erregungszustand verändert, ist individuell unterschiedlich und oft auch von der Rasse und für was sie gezüchtet werden bzw. wurden abhängig. Dass der Gos d'Atura in dieser Hinsicht zu den „Ferraris" gehört, haben die meisten von uns schon oft erlebt. Aus dem Ruhezustand heraus können sie blitzschnell reagieren. Eine wichtige Eigenschaft, die sie für ihre Arbeit an der Herde benötigen und ihnen mit in die Wiege gelegt wurde.



Ein Erregungslevel ist zunächst als neutral zu bewerten, auch wenn wir dazu neigen automatisch die Entspannung als etwas positives zu sehen und die Erregung eher negativ einstufen. Ausschlaggebend ist die Emotion bzw. die Gefühlslage, die damit verbunden ist. Denn auch, wenn sich unsere Hunde freuen, steigt der Errungslevel - und wer kann sich schöner freuen, als unsere Hunde, wenn wir nach Hause kommen?! Der Hund befindet sich einer positiven Gefühlslage. Im Gegenzug kann Entspannung aber auch Frust auslösen. Zum Beispiel, wenn wir ein gemeinsames Spiel mit dem besten Hundekumpel abbrechen. Wie schnell ein "freudiger" hoher Erregungslevel ein übersteigertes negatives Verhalten umschlagen kann, beobachtete ich oft in Gubaccas Junghundzeit. Wie viele Junghundbesitzer verfiel ich dem Irrglauben, dass Gubacca stressigen Situationen besser bewältigen kann, wenn er vorher "ordentlich" mit seinem Hundekumpel getobt hatte. Genau das Gegenteil war der Fall. Noch voller überschäumender Energie war er überhaupt nicht mehr in der Lage mit fremden Umweltreizen umzugehen. Ähnliches konnte ich beobachten, wenn er längere Zeit alleine zu Hause war und ich dann direkt im Anschluss mit ihm seine "Gassirunde" machte. Heute ist das kein Problem, aber in seiner Junghundzeit wäre es besser gewesen, ihn zu begrüßen, eine Weile abzuwarten bis er wieder zur Ruhe gekommen wäre und dann etwas später mit ihm rauszugehen.



Die Ursache hierfür lässt sich auch einfach erklären. Viele Verhaltensweisen, die wir bei unseren Hunden als problematisch empfinden (an der Leine ziehen, bellen, Probleme mit Artgenossen..), sind nämlich auf einem hohen Erregungslevel zurückzuführen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die emotionale Reaktionen wie Angst und Aggression bei einem hohen Erregungszustand verstärkt werden. Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass wir ab einem gewissen Level unsere Hunde nicht mehr erreichen, da sie nicht mehr ansprechbar sind. Hier spielt eine Struktur im Hirnstamm eine große Rolle, die das Verhalten in zwei verschiedene Zustände unterteilt, den denkenden und den reflexiven Zustand.


Im denkenden Zustand suchen unsere Hunde nach Lösungsmöglichkeiten, sind ansprechbar und wir können auf sie einwirken. Der refexive Zustand löst eine automatische Reaktion, wie zum Besispiel Flucht, aus. Der Hund ist nur noch schwer in der Lage sein Verhalten zu steuern und auf uns zu reagieren. Ich kann das bei Gubacca immer gut bei Begegnungen mit unkastrierten Rüden gut beobachten. Auf Distanz ist er gut ansprechbar und ich kann die Situation gut für uns managen. Kommt der andere Rüde ihm aber zu nahe und fixiert ihn vielleicht dann auch noch, ist er im Rekordtempo auf 300 und nicht mehr ansprechbar. Dann hilft nur noch Leine gut festhalten und versuchen möglichst zügig aus der Situation rauszukommen. Jegliche Versuche bei einem so hohen Erregungslevel erzieherisch tätig zu werden, kann man sich getrost sparen. 



Von daher muss man auch, um ein störendes Verhalten abzutrainieren, auch immer an dem Erregungslevel des Hundes arbeiten. Ziel ist es hierbei, dass der Hund möglichst im „denkenden" Zustand bleibt  Das ist nicht immer leicht, da das Gehirn darauf ausgerichtet ist, bei einem steigenden Erregungsniveau in den "reflexiven Zustand" zu wechseln. Ähnlich  wie ein Kippschalter, der umgekippt wird, reagieren unsere Hunde dann "reflexartig" ohne nachdenken zu müssen. Die "Konditionierte Entspannung kann uns daber unterstützen, dass der Schalter nicht umkippt bzw. wieder umgestellt wird.

Konditionierte Entspannung

Entspannung ist nicht nur der Gegenpart zur Erregung, sondern sorgt auch dafür, dass Stress bei unseren Hunden abgebaut wird. Hierbei spielt das Hormon "Охуtocin" nicht nur bei uns Menschen eine entscheidende Rolle, sondern auch bei Hunden. Oxytocin wird häufig als "Kuschelhormon" oder "Vertrauenshormon" bezeichnet, da es für das Bindunqsverhalten maßgeblich ist. Sanfte Berührungen, die von unserem Hund als angenehm empfunden werden, führen zu einem Anstieg des Oxytocin-Spiegel. Der Erregungslevel geht wieder in einen entspannten Zustand über. 

Bei der konditionierten Entspannung werden zwei Reize miteinander verknüpft. Der eine Reiz kann zum Beispiel ein Wort oder ein Duft sein, der von dem Hund mit dem zweiten Reiz, einem entspannten Zustand, verknüpft wird. Das Training ist relativ einfach und kann dabei helfen, den Hund im denkenden Zustand zu halten, so dass er für uns ansprechbar bleibt. 

Trainingsaufbau

Der erste Schritt ist auszuprobieren, welche Berührung bei deinem Hund einen entspannten Zustand auslöst. Einen entspannten Hund erkennt man u.a. daran, dass sich die Wirbelsäule und Rute entspannen, die Gesichtszüge werden weicher und viele Hunde legen sich auf die Seite. 

Hast du herausgefunden, wie du diesen Zustand bei deinem Hund erreichen kannst, belegst du dies mit einem Wort, welches du dir für dein Training ausgesucht hast. Viele sagen „easy", aber der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Schritt zwei wäre dann das gewählte Wort zu sagen und den Hund so zu berühren, dass er sich entspannt. Automatisch setzt dann auch die Produktion von ,Oxytocin" im Gehirn deines Hundes ein. Nach mehrmaligem Training löst dann das gewählte Wort die Ausschüttung des Hormons aus, ohne dass du deinen Hund berühren musst. Falls sich dein Hund nicht gerne anfassen lasst, kannst du das gewählte Wort auch einfach mehrmals zu ihm sagen, wenn er von sich aus zur Ruhe kommt. Auch so wird der Begriff konditioniert und führt zur Entspannung. Sobald dein „easy" fest konditioniert ist, hilft es dir in stressigen Situationen, deinen Hund wieder in einen gut ansprechbaren Zustand zu versetzen.






Tellington Touch

Eine tolle Möglichkeit, deinen Hund durch gezielte Berührungen zu entspannen, ist auch „Tellington Touch". Das doppelte „T" ist kein Schreibfehler, sondern steht für Trust - Vertrauen.

Der achtsame und respektvolle Umgang auf Augenhöhe mit Tieren ist eine grundlegende Philosophie dieser Methode und soll dem Tier mehr Selbstsicherheit und Körperbewusstsein vermitteln. Ziel ist es, dass das Tier bewusst handelt und nicht kopflos auf eine Situation reagiert. Aber auch die Mensch-Hund-Beziehung wird verstärkt und die Beziehung vertieft.

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