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Das verflixte 1. 2. 3. Jahr beim Gos

Februar 27, 2021

Heute gibt es einen Blogartikel für alle leidgeplagten Junghundbesitzer – ursprünglich geschrieben fürs Gos Journal. Viel Spaß beim Lesen! 

Wenn aus dem Welpen plötzlich Kevin wird

Für alle, die sich gerade die Haare raufen, weil ihr Katalane in die Pubertät gekommen ist, habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht. Fangen wir doch mal mit dem Positiven zuerst an: genauso plötzlich wie „Kevin“ (Gubaccas Spitzname in der Pubertät) bei uns eingezogen war, verschwand er auch nach einer gewissen Zeit wieder.

Die schlechte Nachricht: „Kevin“ hatte ordentlich Sitzfleisch, und die „gewisse Zeit“ bis zu seinem Auszug war länger als vermutet. Ich weiß noch, wie ich oft in seiner wilden Welpenzeit dachte: Wenn Gubacca ein Jahr alt ist, dann haben wir das Gröbste hinter uns. Eine große Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte.

Mit zwölf Monaten nahm die Pubertät nämlich erst richtig Fahrt auf. Aus dem kleinen „Kevin“ war ein rüpeliger Teenager geworden. Zum Glück war „Kevin“ kein Dauergast, und wir hatten zwischendurch immer wieder Zeit zum Durchschnaufen oder Kräftesammeln.



unghund Gubacca blickt frech in die Kamera – typisch Pubertät beim Gos d’Atura Català


Pubertät in Wellen und manchmal mit Sturmwarnung

Die Pubertätsschübe kamen, ähnlich wie die Corona-Krise, in Wellen. Viele von euch wird die erste Welle wahrscheinlich völlig unerwartet treffen, weil die ersten sieben oder acht Monate mit eurem „Jungspund“ ganz ruhig verlaufen sind.

Wir waren da schon ein bisschen besser vorbereitet. „Kevin“ zog nur wenige Wochen nach Gubacca bei uns ein. Die eigentliche Pubertät war da noch in weiter Ferne. Zuhause hatte ich einen vollkommen problemlosen und lieben Welpen bzw. Junghund. Gubacca hat noch nie etwas kaputt gemacht, blieb von Anfang an allein und konnte sich im größten Chaos einfach einrollen und schlafen.

Unsere Probleme begannen, sobald wir das Haus verließen. Sein Drang, draußen alles infrage zu stellen – und das auch gern mit Anspringen oder in die Klamotten beißen – brachte mich oft zum Verzweifeln.

Mit zunehmendem Alter wurden die Pubertätsschübe zwar anstrengender, aber dafür auch deutlich kürzer. Bei Gubacca hatten wir unseren Gipfel mit etwa 18 Monaten erreicht. Danach wurden auch „Kevins“ Besuche sporadischer. Sobald er merkte, es gab keine „Cola und Chips“ – also keine Aufmerksamkeit für sein rüpelhaftes Benehmen – verschwand er nach wenigen Tagen.


Der magische dritte Geburtstag

Und dann kam der magische dritte Geburtstag von Gubacca. Die Zahlenkerze „3“ vom Hundekuchen sollte ich mir eigentlich vergolden lassen.

Aus meinem wilden Chaoten war über Nacht ein entspannter und schon fast pflegeleichter Rüde geworden. Natürlich stellt man sich dann auch die Frage, ob man vorher einfach vieles falsch gemacht hatte. Gerade heute ist es ja Trend in der Hundeerziehung, die Fehler bei uns Menschen zu suchen. Grundsätzlich finde ich das auch gut und wichtig.

Aber manchmal muss man auch einfach – ohne Selbstzweifel – akzeptieren, dass es pflegeleichte Welpen und etwas „anspruchsvollere“ Exemplare wie Gubacca gibt. 


Wenn der Ärmel plötzlich zur Beute wird

Ein Problem waren für mich Gubaccas „Ausflipper“ auf unseren Spaziergängen. Ohne ersichtlichen Grund fing er plötzlich an, mich anzuspringen und in den Ärmel zu beißen.

Der sicher gut gemeinte Ratschlag vieler, einfach mal konsequent durchzugreifen, brachte mich nicht weiter. Gubacca reagierte gegen jede Art von Druck einfach mit Gegendruck. Das Verhalten zu ignorieren half ebenfalls nicht. Er steigerte sich dann noch weiter rein, um mir irgendeine Reaktion zu entlocken. Ich erinnere mich an Spaziergänge, bei denen es plötzlich nicht mehr möglich war, einen normalen Schritt mit ihm zu laufen. Wie bei Jekyll und Hyde wechselte er in Sekunden seine Persönlichkeit – von Gubacca zu Kevin.

„Einfach anbinden und warten, bis er sich beruhigt hat“, predigte mir unsere damalige Hundetrainerin. Dumm nur, dass nicht überall ein Baum oder Zaun steht … Abgesehen davon ließ der Erfolg dieser Maßnahme auch sehr zu wünschen übrig.


Wenn aus Verzweiflung Einsicht wird

Ich bin sicher, einige nicken beim Lesen gerade mit dem Kopf und kennen solche oder ähnliche Situationen auch von ihrem „Pubertier“. Und natürlich möchte man dann wissen: Wie habe ich es in den Griff bekommen?

Denn zum Glück macht Gubacca das heute nicht mehr. Aber ich muss ehrlich zugeben, dass ich kein Patentrezept für euch habe.

Trotzdem würde ich heute mit dem Verhalten anders umgehen. Gubacca reagierte – wie viele junge Katalanen – stark auf Außenreize. Als junger Hund war er draußen ständig damit beschäftigt, seine Umwelt zu „scannen“. Fremde Situationen versetzten ihn schnell in einen höheren Erregungslevel. Dabei war er kein ängstlicher Gos – er musste einfach nur lernen, was zu seinem normalen Alltag gehört und was tatsächlich eine Gefahr darstellen könnte.

Auch beim Spielen und Toben mit seinem damaligen Kumpel Lennox schoss Gubacca schnell über seinen noch nicht vorhandenen „Begrenzer“ hinaus und überdrehte dann. Oft ließen wir die beiden Jungrüden erst einmal ordentlich toben, bevor wir mit ihnen noch einen Spaziergang machten. Gerade auf diesen Runden hatte ich dann das Problem, dass Gubacca völlig unerwartet und ohne ersichtlichen Grund ausflippte.

 


Erkenntnis Nummer eins: Weniger ist mehr

Heute bin ich sicher, es wäre damals besser gewesen, solchen Situationen einfach konsequenter aus dem Weg zu gehen. Mir erschien das damals aber als schlechte Option. Gerade bei einer Rasse wie dem Gos dachte ich, es wäre wichtig, auch Grenzen zu setzen und sich durchzusetzen.

Ich habe aber viel zu sehr den Fokus auf die Reaktion – das Ausflippen – gerichtet. Gerade hier wäre es wichtig gewesen, die Gesamtsituation zu bewerten. Was war vorher alles passiert, bevor es zu diesem Verhalten kam?

Es sind nicht nur Stresssituationen, die den Erregungsgrad bei einem jungen Hund in die Höhe treiben: die Vorfreude vor dem Spaziergang, das Toben mit dem Kumpel, die gemeinsamen Suchspiele … Wenn dann noch ungewohnte Außenreize hinzukommen – ein lauter Traktor, ein Knall in der Ferne – ist man schnell über ein gesundes Maß hinaus.

Die Verhaltensstrategien vom „Pubertier“ sind dann unterschiedlich. Bei einem selbstbewussten Kerlchen wie Gubacca endete das oft mit einem kaputten T-Shirt bei mir.


Erkenntnis Nummer zwei: Der Gosblick als Warnsignal

Fairerweise muss man aber sagen: In diesem Adrenalin-Zustand sind unsere Hunde überhaupt nicht mehr erreichbar. Man sieht es richtig in den Augen – von null auf dreihundert. Das bezeichnen viele als den „speziellen Gosblick“.

Anstatt mich über dieses Verhalten zu ärgern, hätte ich es als Warnsignal der Überforderung wahrnehmen sollen. Gerade bei den jungen Katalanen ist weniger wirklich mehr.

Nach einer Toberunde mit dem Spielkameraden wäre es besser gewesen, einfach wieder nach Hause zu fahren, ohne noch einen Spaziergang anzuhängen. Auch auf unseren normalen täglichen Runden kam es auf den letzten hundert Metern sehr oft zu solchen „Ausflipp-Aktionen“.

Mit der Erfahrung von heute würde ich einen jungen Hund einfach viel öfter nur ins Auto packen und mit ihm zu einer großen Wiese fahren. Das gemeinsame Spielen reicht dann vollkommen aus.

 


 Erkenntnis Nummer drei: Entwicklung statt Etikett

Damit wären wir schon bei der nächsten Sache, die ich noch viel stärker bei einem jungen Gos berücksichtigen würde: Man darf viele Verhaltensweisen immer nur als Momentaufnahme werten, die zur Entwicklung gehören.

Sätze wie „Mein Gos mag keine lauten Kinder“ oder „Er bellt immer bei Autos“ sollte man ganz schnell aus seinem Wortschatz streichen. Gubacca reagierte als Junghund auf so viele Dinge, die ihm heute keine Reaktion mehr entlocken.

Ich weiß noch, wie ich es früher am liebsten vermieden hätte, gegen sieben Uhr mit Gubacca zum Bäcker zu gehen. Punkt sieben fangen bei uns die Kirchenglocken an zu läuten – und der Bäcker liegt genau gegenüber der Kirche. Gubaccas lautes Gebell am frühen Morgen war mir immer sehr peinlich.

Aber: Augen zu und durch. Ganz schnell gehörte auch das Läuten der Glocken zu seinem normalen Alltag.


Manchmal steckt mehr dahinter, als man denkt

Den letzten Punkt, den ich euch ans Herz legen möchte, ist, immer den Gesamtzusammenhang zu sehen. Häufig ist das störende Verhalten gar nicht das eigentliche Problem.

Ich weiß noch, wie kreativ ich wurde, um Gubacca das in-die-Leine-Beißen abzugewöhnen. Letztendlich fand ich sogar Lösungen, das zu unterbinden. Trotzdem war die Maßnahme kein Erfolg. Anstatt in die Leine zu beißen, fing er an, hysterisch zu kläffen. Was am frühen Morgen in einem Wohnviertel angenehmer ist, brauche ich, glaube ich, nicht weiter zu erläutern. Oft hilft es eben nicht nur, den Zahn zu ziehen – wir müssen auch die Wurzel mit entfernen.


Wenn Geduld sich auszahlt

Zum Glück lernen unsere „Spanier“ rasend schnell und werden dadurch in den typischen Alltagssituationen immer entspannter. Von daher ist es kein Wunder, dass die Ausflipper bei Gubacca heute der Vergangenheit angehören. Auch das in-die-Leine-Beißen oder das laute Gekläffe morgens um sieben Uhr gibt es nicht mehr.

Gubacca hat gelernt, mit den vielen Herausforderungen des Alltags umzugehen – und ist dadurch deutlich ruhiger und entspannter geworden. 

 

 

Und ja, auch ohne Patentrezept: Oft hilft es einfach, einen Gang runterzuschalten. „Stay home“ hilft nicht nur gegen Corona, sondern auch für die innere Balance. Es schadet nie, Situationen zu vermeiden, die (noch) zu viel sind.

Langsam aufbauen, beobachten, anpassen – das ist der Weg. Und dann kommt er wirklich, dieser Tag: der dritte Geburtstag. Plötzlich steht da ein entspannter Hund, und man denkt: Träume werden wahr.

Ich genieße diese ruhigere Zeit sehr. Gubacca ist ein echter Herzenshund geworden. Aber manchmal – ja, manchmal vermisse ich den kleinen Kevin. Er hat mich viele Nerven gekostet, war aber auch unglaublich liebenswert.

Bleibt gesund und passt gut auf euch auf.
Eure Bine & Gubacca

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