Nachgefragt: Einmal Gos- immer Gos?!

Februar 14, 2018

Bei meinen Unternehmungen mit Gubacca begegnen mir nur wenige Menschen, die den Gos d´ Atura Català kennen. Sollte es doch mal vorkommen, dass mein gegenüber von dieser Rasse schon gehört hat, ist fast immer die erste Reaktion "Au weia - da hast du dir ja etwas vorgenommen!" Auch bei unseren Welpenspiel hatte Gubacca als Gos automatisch den Stempel "schwer erziehbar" auf der Stirn kleben, ohne das man ihn kannte. Hat man jedoch das große Glück jemanden zu begegen, der selber diese Rasse  hat bzw. hatte, geraten diese Menschen schnell ins schwärmen. Die Selbstständigkeit und große Intelligenz dieser Hunde faszinieren viele von ihnen.

Rückblickend betrachtet war die Welpenzeit mit Gubacca  teilweise auch anstrengend. Die lange Phase mit "Kevin am Abend" und das Anspringen mit in die Kleidung beißen war schon recht nervig. Gubacca diskutiert sehr hartnäckig mit mir und testet gerne mit viel Energie, ob etwas was er blöd findet auch tatsächlich immer und genau so für ihn  gilt. Dafür lernt er rasend schnell und es macht wahnsinnigen Spaß sich mit ihm zu beschäftigen und ihm etwas beizubringen. Bei uns Zuhause ist Zwerg-Riese mittlerweile (nein, der Spitzname bleibt auch bei nur 54 cm) der ruhigste Hund, den man sich nur wünschen kann. Er ist sehr liebenswert in seiner Art und man muss ihn einfach lieb haben. Draußen ist er "Marke" Gummiball - immer in Bewegung und sehr springfreudig. An seiner Frustrationsgrenze müssen wir gemeinsam arbeiten - daran mangelt es manchmal und er beißt in solchen Fällen immer noch gerne in die Leine oder möchte die Führung übernehmen. Aber was von diesen Eigentschaften ist wirklich typisch für den Gos und was ist einfach Gubacca? Noch ist die Rasse für mich nicht greifbar - was macht sie aus? Was sind ihre typischen Eigenschaften? Sind sie wirklich schwieriger im Umgang oder ist man einfach mit dieser vielen Energie am Anfang überfordert? Wieviel  Auslastung brauchen sie tatsächlich oder ist gerade dieses zuviel der Auslöser für viele Probleme?

Fragen die ich als Neuling der Rasse nicht beantworten kann - die mich aber selber brennend interessieren. Heute startet daher eine kleine Blogserie in der andere Gosbesitzer ihre Erfahrungen mit der Rasse schildern werden. In dem heutigen Bericht schreibt Nicole Scholl über ihre Erfahrungen mit ihren drei Gos-Mädels. Nicole züchtet seit 2011 diese Rasse und ihr Bericht zeigt, dass es nicht "den" typischen Gos gibt, sondern das es eine Rasse mit vielen Facetten ist. Viel Spaß beim Lesen!

"Einmal Gos - immer Gos?!"

Ein Erfahrungsbericht von Nicole Scholl

"Im Vergleich zu anderen Rassen sind Gos eben sehr selbstständig und genau dieser starke Charakter und das Hinterfragen von Entscheidungen macht für mich die Besonderheit der Rasse aus." 

Das Hunderudel von Nicole Scholl | Foto Susanne Hoffmann




Ich habe meinen ersten Hund, einen Terrier-Pudel-Mix namens Kim, mit zwölf Jahren bekommen und komplett selbst erzogen. Meine Mutter züchtete Border Collies und ich habe mit 16 Jahren meinen Zuchtsachkundenachweis im VDH gemacht um amerikanische Collies zu züchten. Einige Jahre später lief mir auf einer Ausstellung eine Hündin über den Weg, die aussah wie meine Kim - nur etwas größer. Mein erster Kontakt zu einem Gos und ich war völlig verliebt.

"Bereits vier Monate später zog meine erste Gos Hündin ein und mit ihr fühlte ich mich plötzlich 
wie ein völliger Hundeanfänger". 

Ich, jahrelang Ausbilderin im Hundeverein, erfolgreich im Agi, Colliezüchterin und Mehrhundehalterin, hatte da plötzlich einen kleinen Puschelwelpen, der so völlig anders war. Selbstständig, eigensinnig, kernig, mit einer gehörigen Portion Schutztrieb ausgestattet - meine Ambar. Alle Welpen die ich vor Ambar hatte, folgten mir auf schritt und tritt, wollten spielen, kuscheln und nahmen Leckerlies. Ambar lag zum Beispiel mit 9 Wochen im Wohnzimmer und hat noch nicht mal den Kopf gehoben, wenn ich rausgegangen bin. Ich hab echt überlegt, Ambar mit 10 Wochen zurückzugeben, weil ich dachte ich sei ihr egal. Dann hab ich angefangen sie genauer zu beobachten. Und siehe da, die Körpersprache ist im Vergleich zum Collie, Border Collie und was wir sonst schon so hatten, so extrem fein, dass ich sie kaum wahrgenommen habe. Bin ich aus dem Raum gegangen hat sie zwar nicht mal den Kopf gehoben, aber jede Bewegung mit den Augen verfolgt und genau gelauscht wohin meine Schritte im Haus mich führen. Nur war ihr Interesse eben längst nicht so offensichtlich. 

Ambar als Welpe | Foto Susanne Hoffmann

In der Welpenstunde wiederum hat sie mit 11 Wochen keinen fremden Welpen an mich ran gelassen. Auf meine verzweifelte Nachfrage bei der Züchterin hieß es, das sei normales Gos Verhalten. Heute weiß ich, dass ich es hätte trotzdem sofort unterbinden müssen. Damals hab ich sie machen lassen und hatte zeitlebens einen sehr selbstständig entscheidenden und agierenden Hund.

Mit gerade einmal vier Monaten ist Ambar abgehauen. Am 1. Mai hatten irgendwelche Idioten am hinteren Ende vom Garten den Zaun aufgebogen. Mein Terrier ist am nachbarlichen Hasenstall gestrandet, aber Ambar war weg und ich völlig aufgelöst. Sie hat sich einer Wandergruppe angeschlossen und ist mit denen in den Nachbarort spaziert. Dort ist dann aufgefallen, dass der so selbstverständlich mitlaufende Hund irgendwie keinem gehört. Ein vorbeifahrender älterer Herr hatte zum Glück eine Ahnung, wo die kleine Dame hingehört und heulend nahm ich das quietschvergnügte Mäuschen entgegen. Das war übrigens das einzige Mal, das sie abgehauen ist. Ich kenne aber Gos, die über Stunden selbstständig rennen und jagen gehen. Zum Teil aber ohne das Wild zu verletzen, so das ich in diesem Fall von ungebändigtem Freiheitsdrang verbunden mit Hütetrieb ausgehe.

"Ambar konnte ich nie wie andere Hunde mit Leckerlies oder Spielzeug belohnen oder motivieren.
Sie hat bis sie zwei Jahre alt war kein einziges Spielzeug angeschaut."

Dann hat sie sich im Fressnapf in einen Stoffigel verliebt. Den haben wir dann natürlich sofort gekauft und mitgenommen. Jedes noch so gute Leckerlie wurde von ihr einfach ausgespuckt, wenn wir unterwegs waren. Das hat sie als älterer Hund zum Teil noch gemacht. Ich konnte ausschließlich über die Stimme und meiner Körpersprache mit ihr arbeiten. Ich wollte gerne als sie erwachsen war Agility mit ihr machen. Es wird in kurzen Parcoursequenzen geübt und Ambar war schnell klar was ich von ihr wollte. Sie arbeitete im Training jede Sequenz mit mir einmal, wenn ich dann dasselbe nochmal machen wollte ging sie - immerhin hatten wir das ja schon erfolgreich abgearbeitet. Hab ich eine andere Sequenz aufgebaut oder was umgestellt, kam sie sofort wieder. Ambar brachte mir Bälle oder Frisbee - maximal zweimal, dann hat sie mich völlig irritiert angeguckt - sie bringt mir was und das Dumme Frauchen schmeißt es dann wieder weg? Ne, dann kann die das selbst holen. Erst mit fünf oder sechs Jahren hat sie gemerkt dass das Apportieren Spaß machen kann.

Ambar | Foto Susanne Hoffmann
Vor zwei Jahren waren wir auf einem Schutzhundetreffen - lauter Malis, Schäferhunde und Rottis und wir mit unseren „Puschis“ dazwischen. Wir hatten dort einen Verkaufsstand mit Halsbändern und Leinen, haben aber interessehalber mit unseren Hunden an einer organisierten „Wesensprüfung“ teilgenommen. Es ging durch Waldstücke mit sich bewegenden Tüchern und kratzenden Kartons u.s.w. Die Spaziergänger - alles kein Thema. Am Ende (Hunde freilaufend) kam ein Helfer in Vollschutzanzug und Maske aus dem Wald und „ging mit einem Stock auf den Hundeführer los“. Der Kerl kam aus dem Wald, brüllend, Ambar wurde stocksteif, Rute hoch und hat die Zähne gefletscht wie ich es bei ihr noch nie gesehen hab. Dann hat sie (alles innerhalb von ein oder zwei Sekunden) zu mir geguckt und gesehen das ich keine Angst habe (ich wusste ja dass der Kerl mir nichts tut). Rute fängt an zu wedeln und sie begrüßt den Verkleideten freundlich - Madame ist ja nicht doof und lässt sich von so etwas auf´s Glatteis führen.

"Ambar hatte eine sehr gute Menschenkenntnis."

Kamen Welpeninteressenten und Ambar ist von sich aus nicht hingegangen, haben die Leute keinen Welpen bekommen. Wir haben ihr insgesamt dreimal nicht geglaubt und diese Welpen kamen zurück oder es gab Probleme. Ambar hat mich hinterfragt. Hab ich Sachen verlangt, die sie nicht verstand bzw. deren Sinn sie nicht verstand, hat sie sich hingestellt und mich mit einem ganz besonderen Blick angeschaut. Teilweise hat sich auch mal geweigert. War ich aufgebracht und im Ton den Hunden gegenüber entsprechend emotional, hat sie mich nur still angeschaut - und ich konnte mein Verhalten selbst hinterfragen. Es gab auch Probleme: Zeitlebens hat es zwischen ihr und Basca, meiner zweiten Goshündin die später kam, Spannungen gegeben. Sie haben sich mehrfach heftig gebissen - ich weiß heute das Basca eigentlich eher ein Einzelhund ist und würde sie nicht nochmal in ein Rudel integrieren, wäre ich in der Situation wie vor fast 9 Jahren.

Foto. Susanne Hoffmann


Ambar war ein echter Charakterhund, die keine besondere „Schmusebacke“ war aber ab und zu plötzlich kuschel bedürftig wurde. Eben wenn es ihr passte. Ansonsten war sie sehr höflich und souverän im Umgang mit Menschen, liebte es irgendwo zu liegen und einfach zu beobachten. Wenn Leute kamen, wurde kurz gemeldet aber kein Aufstand gemacht. An der Leine mache sie Theater, wenn uns auf den Gassirunden Hunde entgegen kamen. Ließ ich die Leine los oder ganz lang, war gut. Sie hatte eine unglaublich große Individualdistanz gegen fremde Hunde und hasste es, durch die Leine nicht selbst entscheiden zu können. Je mehr man versuchte ihr das abzugewöhnen, desto schlimmer wurde es. Ablenken oder bestrafen brachte rein gar nichts. Natürlich schämt man sich, wenn der eigene Hund an der Leine bellt und schimpft, wenn wir jedoch zum Beispiel auf Ausstellungen gefahren sind war diese „Leinenaggression“ nie ein Thema. Der erste Hund wurde noch angekläfft, wenn es mehr wurden hat sie sich hinter mir eingereiht und war ruhig. Ich bin mir sicher: Hätte ich in der Welpenspielstunde das Verhalten „Frauchen gegen andere Hunde verteidigen“ abgestellt, wäre es an der Leine nie zu solch einem Theater gekommen. 

"Welpenspielstunden mit unkontrolliertem freien Spiel sehe ich beim Gos auch sehr kritisch."

Diese Hunde lernen einfach schnell, Probleme selbst zu lösen, wenn sie keine Hilfestellung bekommen. Wird zum Beispiel ein Gos Welpe von einem braunen Labbi in der Welpenstunde gemobbt und der Trainer und die Besitzer unterbinden das nicht, klärt „Klein-Gossi“ mit seinen spitzen Zähnen es selbst und es kann sein, dass das mit braunen Labbis in Verbindung gebracht wird und später braune Labbis angegangen werden. Einfach schon mal vorsorglich, da war mal einer doof... Ansonsten hat sie übrigens niemals einen fremden Hund (oder Mensch) angegangen oder verletzt. Sie konnte übermütige nervige Junghunde sehr klar abstellen und meistens reichte ein Blick. Insgesamt hatte sie trotz des Fells eine unglaublich ausgeprägte Mimik und konnte wirklich kritisch gucken. 

Ambar | Foto: Nicole Scholl


Ambar hat mich am Anfang oft an meine Grenze gebracht und mir im Bereich Hundeverhalten ganz neue Wege gezeigt. Es hat lange gedauert bis wir uns zusammengerauft haben und sie hat immer wieder hinterfragt, was ich tue, wenn sie es für angebracht hielt. Andererseits konnte ich ihr blind vertrauen und wir hatten eine tiefe Verbundenheit. Ambar war nicht mein Seelenhund, aber eine ganz besondere Persönlichkeit, die ich viel zu früh gehen lassen musste.


Ich finde es gibt beim Gos im Ursprung zwei Typen, einmal eher den Herdenschutzhundetyp,
der hauptsächlich beobachtet und bewacht hat (Herde und vor allem Hof) und einmal 
den Hütetyp, der die Herde getrieben hat. 

Mittlerweile sind die Typen sicher stark vermischt, aber man kann sich auch bei der Einordnung von Welpen zum Teil gut daran orientieren. Ambar war für mich ein ganz klassischer Typ „Bewacher“ und einige ihrer Kinder sind verhaltenstechnisch echt Kopien von ihr.

Mit Basca, meiner zweiten Gos Hündin, bekam ich eine Hündin mit deutlich mehr „will-to-please“, die aber auch deutlich schneller hochfährt und dann zu fehlender Impulskontrolle neigt. Basca kam erst mit knapp sechs Monaten zu uns und ist ein absoluter Traumhund - doch der Weg war hart und steinig, denn Basca war sehr verkorkst als sie zu uns kam. Mittlerweile ist sie auch schon fast neun Jahre alt und immer noch eine aktive Knalltüte, die immer bereit ist zu arbeiten.

Basca | Foto: Sabrina Kilian

Mein Seelenhund ist Nymeria. Sie ist für mich der absolut perfekte Gos (bis auf ein oder zwei kleine Baustellen). Nymeria möchte mir immer gefallen (dabei ist sie manchmal eben etwas übereifrig), ihre Welt dreht sich vorwiegend um mich, sie arbeitet zuverlässig und ausdauernd, sie ist extrem pflegeleicht (felltechnisch), leichtfüßig und locker in der Bewegung. Bewegung ist ein gutes Stichwort, Nymeria ist ausdauernd und im Prinzip körperlich nicht klein zu kriegen.

Nymeria | Nicole Scholl


Basca und Nymeria sind deutlich mehr die „Hütitütis“, deutlich leichtführiger, weniger selbstständig und mehr auf das Arbeiten mit dem Menschen ausgelegt. Die „Hütis“ sind dann meiner Erfahrung nach temperamentvoller und oft auch etwas hibbelig.

Viele Hunde neigen zu fehlender Impulskontrolle in diversen Bereichen. Bewegungsreize, andere Hunde etc. fahren die Hunde oft schon unglaublich hoch. 

Man muss bei allen sportlichen Aktivitäten aufpassen, dass sie danach auch wieder runterfahren und zur Ruhe kommen. Ich denke einige Gos neigen aufgrund dieser fehlenden Impulskontrolle auch zum Jagen, andere tackern ihre Besitzer - Malibesitzer wissen was ich meine. Ein Hund läuft vorbei, der Gos ist aufgeregt und will hin und schnappt vor lauter eifer ins Bein - fehlende Impulskontrolle. Basca fehlt sie zum Beispiel im Bereich mit anderen Hunden oft. Ein anderer Hund knurrt und Basca fühlt sich angegriffen und geht los (auch nur im eigenen Rudel). Eine große Wiese wo wir immer Frisbee gespielt haben - Basca rennt los und guckt in die Luft, wann die Frisbee fliegt. Solche Probleme haben aber viele Hütehundbesitzer, ob Border, Mali oder Gos. 


Manche Gos Besitzer meinen, sie haben einen Arbeitshund und müssen ihn mit aller Gewalt auslasten. Ich bin der Meinung ein junger Gos muss vor allem eines: lernen, zur Ruhe zu kommen und zu entspannen. 

Alles andere ist Erziehung, aber Ruhe lernen ist die Voraussetzung. Gilt übrigens für andere Hütehunde auch. Bei Ambar war das nie das Problem, bei Nymeria hab ich es trotz Erfahrung verpasst - sie kommt in ungewohntem Umfeld insgesamt schlecht zur Ruhe. Beruhigend, das man nach 20 Jahren immer noch Fehler macht. 

Foto: Sabrina Kilian

 Ich hoffe sehr, aus dem nächsten Wurf von Nymeria einen Welpen behalten zu können um das Abenteuer Gos-Welpe wieder neu starten zu können.

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Vielen Dank Nicole für diesen sehr  interessanten Erfahrungsbericht und die tollen Fotos!

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