Mit Rückenwind und Umwegen – einmal kurz nach Damp und zurück - Reisetagebuch Langholz

Juni 27, 2025

Es gab Brötchen! Nicht irgendwelche, sondern diese himmlischen mit Schmalz gebackenen Dinger, außen knusprig, innen weich, mit genau der richtigen Mischung aus Kalorien und Kindheitserinnerung – und nein, das Ganze war kein sportlicher Akt meinerseits. Ich bin nicht, wie ich mir eigentlich noch halb motiviert vorgenommen hatte, aufs Rad gestiegen, sondern habe mich ganz bequem ins Auto gesetzt und die fünf Minuten bis zur Bäckerei motorisiert zurückgelegt – was mir ehrlich gesagt jedes Mal ein kleines inneres Augenrollen beschert, weil ich kurze Strecken mit dem Auto eigentlich hasse. Aber Toastbrot – beziehungsweise diese matschige Variante namens „American Sandwich“ – hatte ich nun wirklich genug gesehen. Das ist für mich ungefähr das kulinarische Äquivalent zu lauwarmer Gummimatte mit Backaroma. Und bei zwölf Grad und leichtem Nieselregen muss man ja nicht auch noch tapfer sein.



Zuhause angekommen, machte ich es mir mit meinen kostbaren Brötchen im Wintergarten gemütlich, legte das Tablet bereit, goss mir eine große Tasse Kaffee ein – und bewegte mich in Zeitlupe, damit bloß kein Geräusch meinen lieben Herrn Mini-Rütter aus dem Schlaf reißen konnte. Ich liebe es, morgens allein zu frühstücken. Was früher regelmäßig zu diesen „Ich versteh dich nicht – wie kann man um acht schon gut gelaunt sein“-Diskussionen geführt hat (er die geborene Nachtäule, ich irgendwo zwischen Uhu und Frühaufsteher mit Kaffeeautomatik), ist inzwischen einfach nur pures Glück: Sitzen, atmen, essen. Kein Reden, kein Smalltalk, keine Fragen. Nur Gubacca in der Regel irgendwo unter meinem Stuhl, das leise Klackern der Tasse auf dem Teller – und der leise Verzicht auf mein geliebtes Äpfelchen. Denn seit ich mein altes MacBook mit einem beherzten Schwall Frühstückskaffee in die ewigen Apple-Jagdgründe geschickt habe, trinke ich keinen einzigen Tropfen mehr, während mein neues auf dem Tisch liegt. Eher verdurste ich.

Nach dem Frühstück – und nachdem ich mir versichert hatte, dass Herr Mini-Rütter im Reich der Träume weilt und keinerlei Ambitionen zeigte, dieses spontan zu verlassen – zog ich mich in voller Wettermontur an. Kein modisches Statement und keine kurze Hose (Spoiler: die braunen Beine kann ich vergessen) – sondern reine Notwendigkeit. Denn auch wenn kurz die Versuchung aufblitzte, ob man nicht einfach mal eben eine kleine Trockenrunde einlegen könnte – also so zwischen zwei Regenschauern huschen, ohne sich ganz umzurüsten – war mir klar: Wenn ich dem erst einmal nachgebe, wird das zur neuen, bequemen Norm. Also zogen Gubacca und ich los – Richtung altes Militärgelände, das hier quasi der Hotspot aller Hundemenschen von Klein-Waabs ist. Eigentlich meide ich solche Orte ja lieber, aber es gibt dort einige Graffiti-Wände, die ich sehr mag. Und wenn mich eins über mich selbst hinauswachsen lässt, dann die Aussicht auf ein schönes Foto. Heute allerdings: eher suboptimale Bedingungen. Ich hatte die „große“ Kamera nicht mit in den Urlaub genommen – warum eigentlich? Vermutlich aus einer Mischung aus falscher Hoffnung auf gutes Licht und dem Gedanken „Ach, das wird schon mit dem Handy.“ Wurde es nicht. Die Handykamera und ich sind gerade ohnehin nicht die besten Freunde – alles unscharf, überbelichtet oder so langweilig, dass selbst Gubacca auf dem Display gegähnt hätte.





Und während ich versuchte, mein katalanisches Leichtgewicht auf der halb vermoosten Betontreppe kunstvoll zu drapieren (natürlich ohne dass ein Hauch Dreck seine heiligen Pfoten berührt), saß er da wie ein genervter Topmodel-Veteran beim 23. Shooting in der Provinz. Blick in die Ferne, Kinn leicht erhoben, ganze Körpersprache: Was genau soll das hier bitte werden? Ich machte zehn Bilder, von denen neun aussahen, als hätte ich die Kamera in eine Plastiktüte gewickelt, das zehnte war okay – wenn man es stark bearbeitet. Und dann, wie zur Belohnung für unser beider Durchhaltevermögen, kam tatsächlich die Sonne durch. Klar. Ich im Zwiebellook, die dicken Jackenärmel bis über die Handgelenke gezogen, und jetzt scheint plötzlich die Sonne.




Aber ich will nicht undankbar sein – es war dieser kurze, warme Lichtmoment, der mich fast schon euphorisch werden ließ. So euphorisch, dass ich mich auf dem Rückweg auf eine Bank am Strand setzte – mit Gubacca natürlich – und beschloss, den Rest des Tages einfach mal gar nichts zu tun. Na ja. Fast gar nichts. Ich beobachtete, wie Gubacca sich vom fitten Urlaubskumpel in eine lahme Ente verwandelte – das macht er immer, wenn wir vom Strand aus Richtung Ferienhaus laufen. Er schleicht dann so auffällig langsam hinter mir her, dass ich anfangs schon überlegte, ob er ernsthaft ein Herzproblem hat. Bis mir irgendwann dämmerte: Das ist Protest. Kein Wasser, kein Bäuchlein ins kühle Nass halten? Dann auch keine Kooperation.






Am frühen Nachmittag fiel dann irgendwann das Wort Radtour. Und zwar nicht in der Konjunktivversion, sondern in der „Wir fahren gleich los“-Variante. Gubacca durfte – sehr zu seiner Freude – eine gepflegte Siesta einlegen. Unser Ziel war die Steilküste bei Damp, und da ist mit dem Hundeanhänger schlicht unmöglich: steil, sandig, schmal – das macht keinen Spaß mit 25 Kilo katalanischer Begleitung im Schlepptau. Also blieb er zu Hause, ganz entspannt, wie immer. Denn – das ist mir wichtig – Gubacca bleibt problemlos alleine. Egal, ob bei uns Zuhause oder im Ferienhaus, das stört ihn nicht im Geringsten. Kein Gejaule, kein Theater – eher ein genervtes „Tür zu, Ruhe bitte“.



Und trotzdem sitzt auf dem Rückweg plötzlich jemand mit im Sattel: das schlechte Gewissen. Leise, aber ausdauernd raunt es mir bei jedem entgegenkommenden „Urlauber-Hund“ ins Ohr: Guck mal, der darf mit. Ob Cockapoo oder Collie – alle trotten scheinbar zufrieden neben ihren Menschen her, züngeln entspannt in der Sonne und sehen aus wie im Werbekatalog für das perfekte Mensch-Hund-Team. Ich weiß natürlich, wie trügerisch solche Bilder sind – aber sie erwischen mich. Müsste ich nicht...? Sollte ich nicht...? Ihn mehr vorbereiten, trainieren, damit ihn solche Ausflüge weniger stressen? Und dann wieder die Gegenfrage: Warum eigentlich? Nur weil andere es so machen? Gubacca ist eben keiner, der überall mitmuss. Er braucht keine Reizüberflutung am Strand, sondern Klarheit. Ruhe. Den Überblick. Und wenn das nicht möglich ist, bleibt er lieber da, wo er sich sicher fühlt.



Der Balanceakt bleibt: Fürsorge oder Egoismus? Mein Bedürfnis oder seins? Ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe – und trotzdem zwickt es. Vielleicht, weil der Wunsch, es richtig zu machen, manchmal an der Realität scheitert. Oder daran, dass richtig nicht immer gleich aussieht. Und während ich noch sinniere, liegt Gubacca vermutlich längst in seinem Körbchen, streckt sich wohlig und denkt: Endlich mal kein Sand in der Unterwolle.




Trotz des schlechten Gewissens war es eine schöne Radtour. Im letzten Jahr waren nach dem Sturm im Oktober 2023 noch viele Wegteile gesperrt, aber diesmal konnten wir die Strecke fast wieder normal fahren. Ich liebe es ja immer, wie „Klein-Frau-Naseweiß“ mit meinen Ortskenntnissen bei Herrn Mini-Rütter zu glänzen – schließlich fahre ICH seit meinem 5. Lebensjahr hierher. Und natürlich will ich keine Hauptstraße entlang fahren, sondern Meerluft schnuppern und das Meeresrauschen hören. Naja, oft endet das dann mitten in der Pampa oder wie heute fast am Kaffeetisch von den Campern. Mein vermeintlicher Weg führte diesmal durch das Grundstück der begehrten ersten Reihe. Aber erstaunlich, wie viele der Camper Hunde haben, die ein Wölkchen besitzen – so persönliche Einblicke bekomme ich eher selten ;-).
Bis Damp sind es nur neun Kilometer, die man ganz fix gefahren ist – wobei ich auf der Strecke wieder festgestellt habe: Alle Strandabschnitte sind schöner als unserer in Langholz! Von daher stehen die Chancen für Gubaccas Badeglück in der nächsten Woche ziemlich gut – denn dort gibt es feinen Sand und keine Steine.










Zurück im Ferienhaus noch schnell das Nötigste erledigt – Trinkflasche auffüllen, Gubaccas Bestechungsleckerlis einpacken  und die Decke schnappen. Denn was jetzt kam, war der Moment, auf den wir gewartet hatten: Sonne. Wirklich. Ehrlich. Warm. Zum ersten Mal in diesem Urlaub lagen wir alle drei auf einer Decke am Strand. Gubacca ausgestreckt, die Augen geschlossen, die Nase im Wind. Herr Mini-Rütter lehnte sich zufrieden zurück, ich zog die Schuhe aus und buddelte die Füße in den Sand. Kein Wind, kein Regen, kein „gleich wieder los“. Nur Ruhe.



Und während ich in den Himmel schaue, denke ich: Vielleicht ist das der wahre Urlaubsmodus – nicht, wenn alles perfekt durchgeplant ist oder man jeden Tag 17 Highlights erlebt hat. Sondern genau jetzt. Wenn keiner mehr irgendwas will. Wenn alle mal kurz einfach nur sind. Gubacca seufzt leise, rutscht ein bisschen näher, und ich lächle. Vielleicht ist es gar kein Balanceakt. Vielleicht ist es einfach ein gutes Team, in dem jeder auch mal seine Auszeit bekommt – der Hund, der Mensch, der Mini-Rütter. 



Heute war jedenfalls: ziemlich genau richtig. Und wer weiß – vielleicht gönne ich mir morgen sogar nochmal so ein Schmalzbrötchen. Ganz sportlich, versteht sich.

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Bine & Gubacca