1163.- 1167. Tag | Manchmal ist weniger mehr

Februar 03, 2021


Der Gesichtsausdruck von Herrn Mini-Rütter war gestern herrlich, als ich meinen Fahrradhelm aus dem Keller holte. "Du willst doch nicht bei dem strömenden Regen mit Gubacca Rad fahren?" Entsetzt schaute mich mein Göttergatte an. "Mach doch bei dem sch... Wetter einfach nur eine kurze Runde mit ihm!" Ich muss ja zugeben, dass  Herr Mini-Rütter eigentlich recht hatte. Bei dem Regen würden wir  nach wenigen Minuten klatschnass sein. Außerdem wäre es auch für Gubacca kein "Weltuntergang" nur eine kurze Runde zu laufen, weil er am Wochenende viel Bewegung hatte.

 


Endlich hatten auch wir am Wochenende mal Sonnenschein und das musste ja einfach in vollen Zügen ausgenutzt werden. Mittags stand eine Fahrradtour quer durch die Felder auf dem Programm. Gubacca tat das schnelle Laufen am Rad sichtlich gut und er hatte riesigen Spaß bei unseren kleinen Wettrennen. Der Spaziergang am späten Nachmittag fiel natürlich auch etwas größer aus. Wobei - was ist größer?! Was ist für Gubacca ein langer Spaziergang? Und: Wieviel Bewegung braucht ein erwachsener Gosrüde eigentlich ? Ich merke bei mir, dass sich die Spirale der langen Strecken ganz langsam immer weiter nach oben dreht. Schnell ist es zur Gewohnheit geworden, dass wir unsere große Radrunde auch zu Fuß laufen. "Nur mal eben um den Block", wie ich es früher auch schon mal mit Chiru gemacht habe, ist eher die Seltenheit. Aber braucht Gubacca wirklich deutlich mehr Auslauf, nur weil er größer ist? 




Mit der Erfahrung von heute weiß ich, dass ich mir diese Frage mit "nein" beantworten kann. Eigentlich ist bei Gubacca sogar weniger mehr. Zum Glück ist das aber nicht mehr so ausgeprägt wie in den ersten drei Jahren.  Mir fällt hierzu sofort unser Ostseeurlaub ein, bei dem Gubacca 1 1/2 Jahre alt war. Die ersten Tage war ich mit ihm, wie es für mich typisch war, ständig unterwegs. Morgens am Strand zum Schwimmen, mittags die große Runde durch die Felder, später noch mal zum Meer... Nach ein paar Tagen war Gubacca so gestresst, dass er wieder zum gefürchteten Kevin mutierte.  Ich weiß noch wie hilflos ich mich fühlte. Langholz ist einer der ruhigsten Ferienorte, die man sich vorstellen kann. Wenn 10 Leute gleichzeitig dort am Strand sind, stöhnte ich schon, dass es "voll" war. Für mich war unerklärlich, dass unsere langen Spaziergänge schon der Auslöser für seinen Rückfall in negative Verhaltensmuster sein sollte. Aber es war tatsächlich so. Kaum hatte er mehr Ruhe, verabschiedete sich Kevin auch wieder von ganz alleine.
 



Ich finde das ist gerade beim Gos d' Atura und vielen Hütehundrassen die größte Herausforderung in den ersten Jahren: Die richtige Mischung aus Ruhe, Auslastung und Bewegung zu finden. Wie oft liest man: Ein Hütehund braucht ausreichend Beschäftigung und möchte arbeiten..." Bei Gubacca ist das aber gar nicht so ausgeprägt. Bei ihm habe ich eher den Eindruck, dass er  auch typische Eigenschaften eines Herdenschutzhundes hat. Er liebt es zum Beispiel, um auf das Thema Urlaub noch einmal zurück zu kommen, stundenlang neben dem Strandkorb zu liegen. Obwohl er einfach nur flach wie eine "Flunder" im Sand liegt, hat er den gesamten Abschnitt genau im Visier. Wäre er nicht angeleint, würde er blitzschnell reagieren und am Strand für "Ordnung" sorgen. So ist der Nachmittag am Meer für mich vielleicht die pure Erholung - für Gubacca war es ein anstrengender Arbeitseinsatz. 




Gerade ein junger Gos ist bei den Spaziergängen ständig damit beschäftigt seine Umwelt abzuchecken. Droht von dem unbekannten Objekt eine Gefahr? Auf welchen Reiz muss er reagieren? Denn das blöde ist: der Drang seine Herde zu beschützen liegt ihm zwar in den Genen, aber er muss erst lernen, dass  zum Beispiel lärmende Kinder auf Rollerskates ganz  normal sind. Früher habe ich Gubacca oft als meine "kleine Stressbuchse" bezeichnet, die sich schnell aus der Ruhe bringen lässt. Und da ich ja  eine Meisterin der Selbstreflexion bin, habe ich mich natürlich auch  gefragt, ob ich bei der "Sozialisierung" etwas falsch gemacht habe. Beides trifft aber (zum Glück) nicht zu. Gubacca hat weder ein dünnes Nervenkostüm, noch habe ich ihn zu wenig an die Umweltreize gewöhnt. Man muss sich einfach immer wieder auch bewusst machen, für was der Katalanische Schäferhund ursprünglich gezüchtet wurde. Er muss viel stärker auf Außenreize reagieren und seine Umgebung kontrollieren. Dabei muss er erst noch lernen was "normal" ist und auch das Vertrauen aufbauen, dass er diese Verantwortung uns überlassen kann. Aber genau diese beiden Faktoren sind Lernprozesse, die auch einfach Zeit brauchen.



Natürlich habe ich dann gestern doch noch eine größere Runde mit Gubacca mit dem Rad gemacht und wir sind ordentlich nass geworden. Es steckt einfach bei mir drin, dass ich immer meine: Mindestens ein großer Spaziergang am Tag muss sein. Dafür habe ich dann gegen Abend mit guten Gewissen nur noch eine kleine Runde mit ihm gemacht. Heute musste ich dann aber wirklich vor dem Dauerregen kapitulieren... Hoffen wir mal, dass es morgen endlich wieder mal besser wird.

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