1128 - 1130. Tag | Sind Gosrüden unverträglicher als andere Rassen?

April 06, 2021

Bei dem Blick aus dem Fenster konnte man sich Montag echt fragen, ob wir Ostern oder Weihnachten haben. Anstatt gemütlich im Liegestuhl in der Sonne zu sitzen, war Kuscheldecke und Sofa angesagt. Nachmittags  fing es dann sogar noch an zu schneien und der Schnee blieb liegen. So startete die neue Arbeitswoche heute morgen mit einer Runde durch den Schnee. Zwar nicht vergleichbar mit unserem Winterwonderland im Februar - aber immerhin lag eine dünne Schneedecke auf den Feldern.


 
Ein bisschen schmunzeln musste ich über Gubacca. Früher hätte dieser "Ruhrpottschnee" bei ihm schon wahre Begeisterungsausbrüche ausgelöst - heute morgen null Reaktion. "Herr Gubacca" ist seit diesem Jahr andere Schnee-Dimensionen gewöhnt, würde ich mal sagen. Aber der Mini-Wintereinbruch ist auf jeden Fall  eine schöne Gelegenheit noch einmal ein paar von meinen Schneebildern zu zeigen.  Denn sie passen wunderbar zu meinem heutigen Thema:

 
Sind Gosrüden gegenüber dem gleichen Geschlecht unverträglicher als andere Rassen?

Diese Frage habe ich mir bei Gubacca früher öfters gestellt und insgeheim auch mit einem "ja" beantwortet. Chiru, mein Tibet Terrier war unkastrierten Rüden gegenüber zwar  auch kein "Musterknabe" - aber mit Gubaccas "Temperamentsausbrüchen" nicht vergleichbar. Mit meiner Erfahrung von heute denke ich jedoch, dass  ich selbst bei dem Thema manches falsch gemacht habe. Bei vielen Gos-Spaziergängen  musste ich zu meinem Leidwesen auch noch feststellen, viele Gosrüden haben überhaupt kein Problem (mehr) mit Geschlechtsgenossen.  Den Zusatz "mehr" habe ich ganz bewusst noch in die Klammern dazu gesetzt. Ich bin sicher,  früher oder später erwischt es jeden Rüdenbesitzer mal, dass das "Pubertier" seine Grenzen bei anderen Geschlechtsgenossen austestet. Jetzt liegt es  an uns, was wir daraus machen. 




Und da kommt auch schon die erste Falle, in die ich hineingetappt bin. Was bei anderen Rassen oft nur als ein rüpelhaftes Benehmen an der Leine wahrgenommen wird, ist beim Gosrüden schon eine ganz andere "Hausnummer". Wer einmal Gubacca an der Leine ausflippen gesehen hat oder selbst einen "selbstbewussten" Gos hat, weiß wovon ich spreche. Es reichte ein "blöder" Blick von dem anderen Rüden und Gubacca explodierte in Rekordgeschwindigkeit. Leider funktionierte dieses Tempo nicht umgekehrt. Wenn der andere Rüde schon längst wieder entspannt neben seinem 2-Beiner weiterlief, wütete mein "feuriger Spanier" immer noch und war kaum zu bändigen. Rüdenunverträglich war schnell mein Fazit. Und genau da lag auch schon mein Fehler. Ich habe das Verhalten nur an sich bewertet, aber nicht das Wesen der Rasse mit einbezogen. 

"...Zur Harmonie kann man nur gelangen, wenn man sich weitestgehend in den Hund und seine Anlagen hineinversetzt." Aus dem Vorwort der IGP (Prüfungsordnung für Gebrauchshundesport, aktuelle Version von 2019).

Auch wenn ich mich wiederhole und den folgenden Absatz auch schon in mehreren Blogbeiträgen geschrieben habe: Viele Probleme lösen sich schon ein Stück, wenn  man sich bewusst vor Augen führt, für was der Gos ursprünglich gezüchtet wurde. Er ist ein Hütehund mit einem blitzschnellen Reaktionsvermögen. Er treibt die Herde oft nicht nur an, sondern schützt sie auch vor Gefahren. Hierfür muss er innerhalb kürzester Zeit sehr viel Adrenalin freisetzen, um wie eine Rakete losschießen zu können. Diese Eigenschaft, von 0 auf 300 in wenigen Sekunden aufzudrehen, kennen viele Menschen mit einem Gos. Und bei den Rüdenbegegnungen zeigt Gubacca ja eigentlich nur dieses angezüchtete Verhalten. Er ist deswegen nicht aggressiver als andere Hunderassen. Der Erregungslevel steigt nur schneller als bei anderen und braucht dann auch entsprechend länger, um sich wieder abzubauen. Ich finde man kann den Gos gut mit einem Sportflitzer vergleichen, der schon kurz nach den Start die Konkurrenten mit seinen 300 PS weit hinter sich lässt. Niemand würde sich hier wundern, dass dann auch der Bremsweg länger ist, wie bei den langsameren Autos. 
 
 


 
Von daher ist  der Gos natürlich nicht  unverträglicher wie andere Rassen. Er reagiert nur oft schneller und heftiger. Bei einem so hohen Erregungszustand ist es den Hunden oft überhaupt nicht mehr möglich, auf die Einwirkungen von uns zu reagieren. Ich sehe das immer bei Gubacca an den Augen und bezeichne es als den "wilden Gosblick".  Mit dieser für uns übersteigerten Reaktion, erwischen sie uns oft an einer Schwachstelle. Wer hat bei einer Hundebegegnungen schon gerne eine "wilde Bestie" an der Leine, die er kaum bändigen kann? Wie oft wäre ich schon am liebsten in den Erdboden versunken, weil es bei einer Begegnung mit einem Rüden nicht möglich war, mit Gubacca nur einen Meter weiterzulaufen. Meine   Reaktion auf  Gubaccas Verhalten  war dann schnell Unsicherheit und der Wunsch, der Situation einfach aus dem Weg zu gehen. Das birgt jedoch gleich zwei Gefahrenquellen, die das Problem verstärken können.  Der Gos ist eine hochsensible Rasse und spürt die kleinste Unsicherheit sofort. Er ist ein Hütehund, mit viel "will to please", ist aber auch  jederzeit bereit, die Verantwortung  zu übernehmen. Kombiniert man das mit einem Menschen, dem die ganze Situation "Hundebegegnung"  unangenehm ist, könnt ihr euch das Ergebnis bestimmt gut vorstellen. Während ich noch krampfhaft überlege, ob ich an dem großen Rüden vorbeikomme, oder doch lieber die Straßenseite wechsle, hat Gubacca die Situation schon längst übernommen. Und hierbei zeichnet er sich (noch) nicht mit ruhigen und souveränen Auftreten aus. Und was macht man dann künftig gerne? Richtig, man geht solchen stressigen Situationen doch lieber aus dem Weg. Wir passen unsere "Gassizeiten" an, um möglichst wenig Hunden zu begegnen und suchen lieber einsame Feldwege aus. Und damit hat uns auch die zweite Gefahrenquelle voll erwischt. Denn der Gos lernt viel aus Erfahrungen, die er machen konnte.




Wie unterschiedlich auch Hütehunde dabei "ticken"  merke ich immer, wenn ich Gubacca mit Chiru (Tibet Terrier) vergleiche. Chiru war im Urlaub zum Beispiel  die ersten Tage immer ein Lämmchen und ignorierte alle Rüden. Je "heimischer" er sich dann im Ferienort fühlte, umso mehr kam dann auch wieder der Rüdenpöbler zum Vorschein. Bei Gubacca ist das genau anders rum. Er ist die ersten Tage mehr auf der Krawallschiene und das bessert sich dann von Tag zu Tag. Ein Verhalten, dass ich für den Gos als typisch empfinde. In fremden oder ungewohnten Situationen reagieren sie oft mit Gebell oder "Alarmbereitschaft". Je öfter sie die Situation dann erleben, umso mehr legt sich das. Viele werden diese Erfahrung bestimmt in der Hundeschule oder einem Hundeverein mit ihrem Gos gemacht haben. In den ersten Stunden glänzen die Spanier oft nicht gerade und werden schnell als "sehr bellfreudig" abgestempelt. Sobald der Gos sich dann jedoch an die Situation gewöhnt hat, kann er zeigen was in ihm steckt: ein intelligenter und lernbegeisterter Hund. Von daher ist es wie ich finde sehr wichtig, gerade diese Rasse immer wieder richtig mit den fremden Situationen zu konfrontieren.
 
 


In vielen Alltagssituationen mache ich das auch - nur in Sachen Hundebegegnungen, ist mir das früher schwer gefallen. Gubacca saß in der "Schublade Rüdenunverträglich" fest. Natürlich sind die einsamen Feldwege stressfreier für uns, aber auch sie haben eine Tücke. Mit großer Wahrscheinlichkeit begegnen Gubacca und mir dort nicht die Kandidaten, die mit allen Artgenossen klar kommen. Also dann doch lieber zur Übungsstunde in das nächste Hundefreilaufgebiet? Was würde ich heute mit Gubacca anders machen? Die Antwort darauf gibt es im nächsten Blogbeitrag.

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