1160. -1162. Tag | Stilblüten

Juli 13, 2020

Die Mutter aus Kassel, der Vater aus dem Ruhrgebiet - welchen Dialekt sprechen da wohl die Kinder? Natürlich Hochdeutsch! Eine Sache, die meinen Eltern in meiner Kindheit besonders am Herzen lag, war, dass meine Schwester und ich ein "gepflegtes" Deutsch  ohne "Kassler Platt" oder "Ruhrpott-Dialekt" sprachen.




Die frühkindliche Prägung setzt sich bis zum fortgeschrittenen "Hitzewellen-Alter" fort und so zucke ich auch heute noch  innerlich zusammen, wenn jemand "drinne" anstatt "drin" sagt. Und auch mehr als dreißig Jahre Ruhrgebiet haben, wenn überhaupt, nur kaum wahrnehmbare Spuren in meinem Sprachgebrauch hinterlassen. Umso entsetzter war ich heute morgen über mich selbst, als ich mich dabei ertappte, dass ich zu Gubacca "Komm Bacca,  bei mir mal bleiben" sagte. Ich weiß gar nicht warum mir das überhaupt aufgefallen ist, wahrscheinlich habe ich diesen schrägen Satz so schon x-mal gesagt. 

Grundsätzlich ist es ja  lobenswert, dass nicht nur Blogleserin Ida mit ihren Gustl in vollständigen Sätzen spricht, sondern auch die Bine. Aber wo ist mein hochgelobtes Hochdeutsch geblieben?! Abgesehen davon stand Gubacca  bereits bei mir und sollte lediglich neben mir herlaufen. Das Wunderkind Tate, gemeint ist hiermit Gubacca, hat es aber trotzdem verstanden und blieb auf meiner Höhe. Ich weiß, es ist oft eh egal was ich sage und es kommt auf das "wie" an. Trotzdem toppte dieser Satz für mich sogar mein kürzlich hochgeladenes Facebook-Video, bei dem ich vergessen hatte, den Ton abzustellen. In dem Video versuchte ich einen sehr müden Gubacca zu motivieren, mit mir noch eine Runde zu laufen. Während dieser mir auf den Rücken liegend sein dickes Bäuchlein präsentierte, flötete ich in den höchsten Tönen: "Bacci komm Pipi machen! Ata gehen..." Entsprechende Kommentare von meinem lieben Freunden ließen natürlich nicht auf sich warten und ich saß mit hochroten Kopf vor dem Computer. Den Ton abzuschalten, bevor ich etwas in Facebook poste, werde ich garantiert nicht mehr vergessen! Aber auch gerade jetzt beim Schreiben hat sich schon wieder eine typische Stilblüte von mir eingeschlichen. "Sein dickes Bäuchlein" - warum neige ich ständig dazu alles im Zusammenhang mit "meinem Zwerg-Riese" zu verniedlichen? Der Hund hat kein BÄUCHLEIN, sondern einfach ein Pfund zu viel auf den Rippen. Bei Herrn Mini-Rütter würde ich das wahrscheinlich viel drastischer ausdrücken...



Beim Hundetraining macht sich mein Hang zu vollständigen Sätzen im "perfekten" Hochdeutsch ebenfalls öfters bemerkbar. Mein Lieblingssatz "Gubacca mach ma Sitz" lässt meinen "Persönlichkeitscoach" Gabi  regelmäßig laut aufstöhnen. Für sie lässt sich das nur noch von einem quitschenden Stück Kreide an der Tafel  überbieten. Da hat sie mein trällerndes "Komm Bacca wir gehen fein runter", noch nicht gehört, wenn ich mittags den Bürocomputer runterfahre. Überhaupt ist in vielen Sätzen von mir ein "fein" zu finden. Als ob es nicht schlimm genug wäre, dass der verantwortungsbewusste Hundemensch jedes Häufchen auf Konsistenz und Beschaffenheit überprüft, nein auch hier höre ich die Motivationstrainerin Bine "mach mal ein feines..." sagen, damit Gubacca sich zum Beispiel noch vor dem Mantrailing löst.

Natürlich darf in jedem Satzaufbau  der Hundename nicht fehlen. Wie sollte Gubacca sonst auf unseren Spaziergängen wissen, dass er bei "Komm" gemeint ist. Ich weiß gar nicht warum das im Hundetraining so verpönnt ist? Schließlich soll die "N.A.M.E.- Methode" bei uns Menschen wahre Wunder wirken, wie ich kürzlich wieder in einem Bericht gelesen habe. Laut dieser Methode hören wir unseren Vornamen noch lieber wie Lob und Anerkennung. Richtig eingesetzt kann man den Vornamen des Gesprächspartners als "Trigger" einsetzen und so den Einfluss auf ihn erhöhen. Und das soll bei einem Hund nicht funktionieren?


Tatsächlich überflüssig ist aber, wie ich zugeben muss, meine Neigung  ihn anstatt mit "du" ständig  mit Gubacca anzusprechen. "Das hat der Gubacca aber fein gemacht" könnte man wunderbar mit "das hast du aber toll gemacht" umwandeln. Und last not least hätten wir dann noch die berühmte dritte Person in meinem Sprachgebrauch... "Lass die Bine mal..." Hierfür gibt es aber sogar auch mal zu meiner Ehrenrettung eine wissenschaftliche Erklärung.  Kinder reagieren bis zu ihrem dritten Lebensjahr überhaupt nicht auf den Satz "Komm mal zu mir", sondern nur auf "Komm mal zu Mutti". Das wird mit ihren fehlenden Individuumsverständnis begründet. Mit meinem mir nachgesagten Hang Gubacca zu vermenschlichen, hätten wir das dann auch geklärt. Zum Glück sage ich nur "zu Bine" und nicht "zu Mama"...

Während ich hier vor dem Computer sitze und überlege, woran es liegt, dass ich mit Gubacca ständig in einer Mischung aus "gebrochenen Deutsch" und "Babysprache" kommuniziere fällt mein Blick auf mein Bücherregal. Und was entdecke ich dort - den Buchtitel " So isser brav".  Das Taschenbuch hat meine Schwester mir zum Geburtstag geschenkt und nach einem gepflegten Hochdeutsch hört sich das auch nicht an! Haben 35 Jahre mit Hunden einfach sprachlich ihre Spuren hinterlassen? Ist das der Sprachkodex den man sich beim Zusammenleben mit unseren Hunden automatisch angewöhnt? Ich bin gespannt wie das bei euch ist und freue mich auf eure "Stilblüten".

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