Wenn ich mir schon morgens um sieben das Gubacca-Taxi ans Fahrrad montiere, dann heißt das: Es wird heiß. Richtig heiß. Der Wetterbericht hatte 30 Grad angekündigt, und um Punkt sieben zeigte das Thermometer bereits über 20. Für mich bedeutet das: große Hunderunde im Morgengrauen. Für Gubacca: Chauffeurdienst mit Aussicht.
Der Weg zum Bäcker fühlte sich für mich an wie eine Alpenüberquerung in Badelatschen – mit Betonklötzen an den Füßen und einem leichten Rest Muskelkater von… ja, von was eigentlich? Vom Liegestuhlaufbau gestern? Egal. Ich trat tapfer in die Pedale, während Gubacca im Anhänger thronte wie ein spanischer König auf Urlaub: die Ohren im Fahrtwind, der Blick auf „Kapitän der Landstraße“ gestellt. Ich hingegen fluchte leise und überlegte, ob ich meine Einstellung zu E-Bikes vielleicht doch mal… nun ja, revidieren sollte. Oder mein Fitnesslevel. Oder beides. Statt der „Schrecken des Grauens mit Steilkurve“ fuhren wir lieber über die Wiesen und Felder Richtung Langholz – vorbei an Pferdeweiden, durch schattige Wegstücke, mit dem vertrauten Salzgeruch der Ostsee in der Nase und einer leichten Ahnung von Urlaub in der Brust. Ab dem alten Militärgelände durfte Gubacca dann raus.
Der Plan: von hier aus gemütlich zum Strand, schön kühl, bisschen Wind – und hoffentlich niemand, der einen schon so früh „Meiner möchte nur spielen“ ruft. Gubacca jedenfalls legte los, als hätte ihn jemand heimlich mit Espresso gefüttert. Vielleicht war es die Aussicht auf sein morgendliches Bad im Meer, vielleicht auch einfach Urlaubslaune – jedenfalls hatte er mehr Vortrieb als ich auf dem gesamten Hinweg. Normalerweise ist er um diese Uhrzeit eher so: „Pipi, dann Wölkchen.“ Aber heute? Alles drin. Strecke, Tempo, gute Laune.
Der Rest des Tages? Eine Art diplomatischer Drei-Stufen-Plan. Der Streit vom Vorabend war offiziell beigelegt – inklusive einem halbherzigen Lachen über unsere unterschiedlichen Vorstellungen von Romantik (Picknickdecke vs. Parkbank), aber man wollte das Glück dann doch nicht überstrapazieren. Also: Jeder bekam seinen Tag.
Gubacca erklärte den Strand um Punkt elf für offiziell geschlossen – zumindest für sich. Viel zu heiß. Viel zu sonnig. Viel zu sandig. Stattdessen: Rückzug ins Ferienhaus, Position: Bäuchlein kühlen, Zustand: vollständig zerschmolzen. Ich glaube, wenn er hätte sprechen können, hätte er leise „Alexa, schalte auf Kühlschrankmodus“ geflüstert.
Herr Mini-Rütter dagegen fand: Besser geht’s nicht! Der perfekte Tag für eine ausgedehnte Radtour! Ich sagte nichts – ich hatte mit meinen Oberschenkeln vom Morgen noch ein Hühnchen zu rupfen. Aber gut: Jeder Jeck is anders. Urlaub ist schließlich keine Pflichtveranstaltung mit Gruppenzwang.
Ich selbst entschied mich für Option C: Luftmatratze, Muschel, Schatten. Und diesmal – Trommelwirbel – kam sie tatsächlich zum Einsatz! Die Luftmatratze, nicht ich. Ich dümpelte auf den sanften Wellen, fühlte mich wie eine Mischung aus Meerjungfrau und Urlaubsgöttin. Naja… Meerjungfrau mit leichtem Hitzestich und Sonnencreme auf der Nase.
Der Blick zum Horizont, das Schaukeln, die Wärme – einer dieser Momente, in denen alles passt. Ich dachte ans Leben am Meer. An Träume. An das, was ich mir wünsche. Und an das, was ich mich vielleicht irgendwann traue. Stillstand auf dem Wasser – aber ganz viel Bewegung im Kopf. Und dann… kam sie. Die Revanche der Pop-Up-Strandmuschel.
Schon am Vortag hatte sie uns beim Einpacken in den Wahnsinn getrieben. Sie weigerte sich standhaft, in eine transportable Form zurückzukehren – als wäre sie tief in ihrer Muschel-Ehre gekränkt. Wir rollten, falteten, fluchten. Ich schwitzte, Herr Mini-Rütter fluchte, Gubacca beobachtete das Spektakel mit der stoischen Ruhe eines Hundes, der weiß: Das wird nix mehr. Am Ende trugen wir das Ding wie ein beleidigtes Ufo nach Hause – halb zusammengefaltet, halb resigniert. Ich sah sie innerlich schon beim nächsten Windstoß aufpoppen und einen unschuldigen Passanten in die Ostsee katapultieren. Ich übte. Im Garten. Mit YouTube. Drei Tutorials, zehn Fehlversuche, ein Beinahe-Zusammenbruch – und ein Herr Mini-Rütter, der das Prinzip natürlich beim ersten Versuch verstand. Na klar. Ich überlegte kurz, ob ich ihn leicht mit dem Metallgestänge anpikse – entschied mich aber für braves Lob. Und bat ihn heute demütig: „Kannst du mich vom Strand abholen?“ Er kam. Er faltete. Er grinste. Ich… schwieg.
Am Abend wollten wir den Tag dann mit Pizza in der Strandpizzeria ausklingen lassen. Ich hatte sogar wieder Romantik 2.0 geplant: diesmal ganz ohne Bank, ganz ohne Diskussion und ohne Herrn Mini-Rütter. Einfach nur Gubacca und ich, am Wasser, Sonnenuntergang, Herzchen-Emojis in meinem Kopf.
Aber kaum wollten Herr Mini-Rütter und ich uns auf den Weg machen, wurde der Himmel schwarz. Gewitter, Donner, Regen. Statt Romantik unterm Sternenzelt gab’s Pizza aus dem Karton im Ferienhaus und Trash-TV auf dem Sofa. Gubacca schnarchte zwischen uns, draußen prasselte der Regen, und alles roch nach Sommer.
War’s romantisch? Nicht im klassischen Sinne. War’s schön? Ja. Denn genau das ist es doch: Urlaub ist kein Gemeinschaftsprojekt mit Ergebnisverpflichtung. Man muss nicht alles gemeinsam machen, nicht jeden Tag synchron atmen. Manchmal reicht es, wenn man sich abends wieder auf dem Sofa trifft – mit Pizza in der Hand und Hund auf den Füßen.
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Bine & Gubacca