Ist der Gos d' Atura schwierig? - Im Gespräch mit Ingeborg Freund

Oktober 08, 2023

Bine: Vor kurzem habe ich eine hitzige Diskussion in Facebook verfolgt, bei der es darum ging, ob man als Tierheim einen Hütehund(mix) im Vermittlungstext nur als großen Wuschelbären beschreiben darf, der seine Kuscheleinheiten liebt und gerne Küsschen gibt. Einige Leser vermuteten bei dem Bild von dem Hund einen Gosmix und hätten sich im Text mehr Aufklärung gewünscht, weil diese Rasse auch schwierig sei. Ich muss zugeben, auch mich stört es manchmal, wenn man den Gos auf einen zotteligen Wuschelhund reduziert und verniedlicht. Für mich ist es keine Hunderasse, die einfach mal so nebenher läuft, und Gubacca war in vielen Dingen auch eine echte Herausforderung für mich, obwohl ich vor ihm schon vier Hunde hatte. Wie siehst du die Rasse als Hundetrainerin Ingeborg? 


 
Ingeborg: Für mich ist der Gos d'Atura keine schwierige Hunderasse. Ich bin mit einer Dackeldame groß geworden und habe auch als junge Frau immer Dackel gehabt. Danach zog eine Schäferhündin bei uns ein und das war eine Hündin, die ich als schwierig empfand. Auch mein Riesenschnauzer, den ich danach hatte, war als Rettungshund einfach nur toll und im Alltag sehr anstrengend. Meine kleine Pyrie-Hündin ist eine richtige Zicke, mit allem was dazu gehört. Im Vergleich dazu sind meine Gossis echt problemlos. Aus diesem Erfahrungsschatz und der täglichen Arbeit mit Hunden kann ich nur sagen: Für mich ist diese wunderbare Rasse anspruchsvoll, aber nicht schwierig! 
  
Bine: Und wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe: Der Anspruch geht wahrscheinlich in unsere Richtung - wir Menschen müssen den Hunden gerecht werden und gewisse Eigenschaften mitbringen.
 
Ingeborg: Richtig Bine! Der Gos braucht zwar keine Härte, aber auf jeden Fall eine stabile Führung. Der Mensch darf nicht wankelmütig sein, sondern muss seinem Hund auch die Strukturen vorgeben. Hierzu gehört auch eine gewisse Konfliktbereitschaft und die Fähigkeit „Grenzen zu setzen". Bei mir gibt es absolute „no gos" - ich teile zum Beispiel mein Essen nicht - und das vermittle ich auch meinen Hunden klar. Da gibt es keine langen Wortdebatten, sondern das ist mit einem „Lass das" klar belegt. „Lass das" ist mein „no go" Kommando und unterscheidet sich von der Wertigkeit zum Beispiel von einem „nö".

Bine: Gibt es für dich Besonderheiten bei der Rasse? Eigenschaften, in denen sie sich stark von anderen Hunderassen unterscheidet?

Ingeborg: Für mich unterscheidet sich der Gos nicht gravierend von den anderen Hütehund-Rassen. Man muss sich bei den Hütehunden einfach ihrer Genetik bewusst sein und wissen, dass man manches einfach nicht abtrainieren kann. Viele Hütehunde reagieren auf Situationen sehr körperlich. Wenn man sich dann aber zum Beispiel einen durchschnittlichen Gos-Rüden mit seinen 20 Kilo vorstellt, der in der Lage sein muss, einen Hammel zu treiben. ist das auch verständlich. Häufig höre ich beim Unterricht auch, dass der Gos schon mal gerne von hinten in die Wade zwickt - das ist nichts aggressives oder schlimmes, sondern ein natürliches Verhalten von einem Hütehund. Er macht letztendlich nichts anderes als seinen Job. Und unser Job ist es in diesem Fall, ihm zu erklären, dass Menschen nicht gehütet werden. Mein Eindruck ist aber auch, dass sich zum Beispiel der Australian Shepherd durch die Zucht in den letzten 20 Jahren im Verhalten verändert hat. Auch die Züchter verändern das Wesen der Hütehunde mit den Jahren.

Was mir bei allen Hütehund-Rassen sehr wichtig ist: Diese Hunde müssen auch vom Kopf ausgelastet werden. Da reicht es nicht, nur spazieren zu gehen. Mein Leitsatz hierbei ist immer:

Wenn der Mensch dem Hund keinen Job gibt, wird er sich eine Aufgabe aussuchen,
die ihm gefällt. In der Regel gefällt uns diese Aufgabe nicht.


Dabei ist es egal, ob es Agility oder Hoopers ist. Viele machen gerne Mantrailing - die Möglichkeiten sind riesig und man muss schauen, woran beide Spaß haben. Aber ohne eine Aufgabe zeigen sich schnell Verhaltensauffälligkeiten, weil die Auslastung einfach fehlt.




Bine: Mein Eindruck bei Gubacca ist häufig, dass ich viele Situationen viel gezielter mit ihm üben muss, als ich es mit meinem vorigen Hund machen musste. Zum Beispiel der Besuch einer belebten Innenstadt oder ein überfülltes Strandcafe. Ist das typisch für den Gos, oder ist Gubacca einfach stressanfälliger als andere Hunde?

Ingeborg: Das ist sicherlich beidem geschuldet. Hütehunde reagieren blitzschnell auf Außenreize und müssen ja auch ständig abwägen, ob eine Gefahr droht oder nicht. Unsere Aufgabe ist es, unseren Hunden von Anfang an die Dinge zu vermitteln, die er später braucht. Natürlich muss nicht jeder Hund im Alltag durch eine überfüllte Fußgängerzone laufen. Im Urlaub sind wir aber vielleicht gezwungen, ihn mit zu nehmen, von daher sollten solche Situationen, aber auch das Bus- oder Bahnfahren, rechtzeitig geübt werden. Reagiert ein Hund schnell auf Außenreize, setzt das einen ganzen Hormon-Cocktail in Bewegung. Von daher sind für Hütehunde auch Entspannungsübungen toll.





Bine: Stimmt, das Thema habe ich beim Gos-ABC „Entspannung, Erregung und Emotionen" aufgegriffen. 
 
Ingeborg: Was mir noch sehr wichtig ist: Auch der Gos zeigt "Territoriales Verhalten". Hierzu habe ich vor kurzem einen tollen Bericht gelesen, der zeigt, dass wir teilweise dieses Verhalten unbewusst durch Routine im gewohnten Umfeld verstärken. Häufig machen wir zum Beispiel abends noch einmal eine kurze Runde um den „Häuserblock" mit unseren Hunden. Für uns eine belanglose Routine, die unseren Hund aber unter Umständen vermittelt: Wir kontrollieren noch einmal unser Revier vor dem Schlafen...

Bine: Bei Gubacca habe ich die Erfahrung gemacht, dass er mit drei Jahren deutlich pflegeleichter wurde.  Auch von anderen habe ich schon öfters gehört, dass das ein „magisches" Alter beim Katalanen ist und sie ab dem Zeitpunkt das Gefühl hatten, ihr Hund ist erwachsen geworden. Teilst du diese Erfahrung?

Ingeborg: Natürlich gibt es auch hier Unterschiede, der eine Gos ist vielleicht schon mit zwei Jahren ausgereift, der andere braucht etwas länger. Grundsätzlich würde ich das aber bestätigen. Wobei man mit solchen Aussagen sehr aufpassen muss. Dein Hund wird nicht plötzlich pflegeleichter, weil er seinen 3. Geburtstag feiert, sondern du darfst ernten, was du gesät hast. Du musst vorher auch etwas dafür tun und darfst dich dann über einen souveränen und entspannten Hund an deiner Seite freuen. Ansonsten könnte nämlich auch genau das Gegenteil passieren und dein Hund stellt dich in Frage und akzeptiert dich nicht. Wobei ich hier bewusst dein „Hund" sage - das ist bei allen Rassen so und nicht nur beim Gos. 
 



Bine: Gibt es Alarmsignale in der Entwicklung, bei denen man merkt, jetzt läuft etwas aus dem Ruder und man muss gegensteuern?

Ingeborg: Bei den meisten verläuft die Welpenzeit Ja erst einmal unproblematisch. Zu Fehlentwicklungen kommt es dann ab der Pubertät, wenn wir Menschen die Weichen nicht richtig stellen. Ein bisschen ist es wie eine Straße, die sich in zwei Richtungen gabelt. Unsere Aufgabe ist es, ihm die Dinge zu vermitteln, die er für sein Leben braucht, ihn anzuleiten aber auch, wie ich vorhin schon gesagt habe, ihm auch Grenzen aufzuzeigen. Erste Indikatoren, die zeigen, dass wir in die falsche Richtung abgebogen sind, könnte zum Beispiel sein, dass unser Hund knurrt, wenn wir ihm sein Futter weg nehmen möchten. Wobei ich auch hier betonen möchte, dass „knurren" nichts schlimmes ist. Mir ist ein Hund tausendmal lieber, der mit einem Knurren warnt, anstatt direkt zu beißen. Knurren gehört zur normalen Kommunikation eines jeden Hundes. Wir Menschen müssen nur die passende Antwort dafür parat haben.

Ein weiteres Alarmsignal kann zum Beispiel sein, dass unser Hund anfängt mit uns zu diskutieren, Befehle nur halbherzig ausführt und selber für sich bestimmt, wann er etwas machen möchte und wann nicht. Lernt der Hund dann, dass wir sein Verhalten einfach hinnehmen, er immer häufiger punktet und sein Handeln ohne Konsequenz bleibt - dann stehen die Chancen gut, dass wir am 3. Geburtstag genau das Gegenteil von einem pflegeleichten" Gos neben uns sitzen haben. Wobei viele Hunde im Alter von ca. 18 Monaten oft noch mal einen 2. Pubertätsschub oder, besser gesagt, eine Testphase durchleben. Das hat nichts mit Fehlentwicklung zu tun und ist auch nicht böse von ihnen gemeint. Ich sage immer, sie müssen austesten wie Leben geht.
 
Bine: Ich habe es befürchtet - letztendlich steuern wir die Entwicklung unseres Hundes. Aber du hast natürlich recht. Nur wenn wir ein verlässlicher Partner für unseren Gos sind, kann er auch die Verantwortung entspannt uns überlassen. Wobei ich auch gestehen muss, dass es mir nicht in jeder Lebenslage gelingt.
 
 


Ingeborg: Aber auch hier kann ich dir nur meinen Lieblingsleitsatz ans Herz legen:

Hundeerziehung fängt im Kopf an! 
 
Und damit meine ich in UNSEREN Köpfen. Wir Menschen neigen viel zu oft dazu, uns die Horrorszenarien auszumalen. Stell dir lieber vor, wie du die für dich stressigen Situationen souverän und locker meistert. Das hilft! Und wenn sich das Verhalten wirklich in die falsche Richtung entwickelt hat, ist das kein Drama, oder um bei unserem Beispiel mit der Straße zu bleiben - auch keine Sackgasse. Es ist nur wichtig, es möglichst frühzeitig zu erkennen. Hunde und Menschen lernen immer. Nicht lernen gibt es nicht, und das Gehirn nimmt immer Dinge auf.

Fehlverhalten beginnt in der Regel bei unseren Hunden mit einem "ich höre mal weg" und dupliziert sich mit der Zeit. Viele Kleinigkeiten summieren sich. Merke ich, dass mein Hund mich als Person nicht ernst nimmt, sorge ich dafür, dass sich das wieder ändert. Ich muss für ihn wieder wichtiger werden. Da kann ich auch mal nicht nett werden und es gibt Futter zum Beispiel nur noch aus meiner Hand. Beim Training höre ich unheimlich oft von den Teilnehmern „Zuhause macht er das aber" oder "da ist er ganz problemlos". Wenn man von einem Hund im Haus nichts verlangt, dann kann er locker nett sein! Wenn man aber rausgeht und eine Leistung einfordert, ändert sich das Verhalten schlagartig. Und trotzdem fangen die Probleme bereits im Haus an, und man muss seinen Alltag dort mit seinem Hund gründlich unter die Lupe nehmen. Aber auch noch mal hier an dieser Stelle: Nerven bewahren, wenn es zu Problemen kommt. Verhalten kann verändert werden. Kein Wesen ist anpassungsfähiger als ein Hund! Meine Empfehlung bei der Hundeerziehung ist immer nur ein bisschen. Die Dosierung macht es. Der richtige Zeitpunkt aufzuhören ist, wenn es so richtig toll läuft. Und Immer daran denken, ausreichende Ruhephasen einzuplanen. Manche Hunde stehen ständig unter „In-put" und sind einer wahren Reizüberflutung ausgesetzt.
 

 


Unsere Gos d'Aturas sind nicht schwierig, sie fordern uns nur als Menschen. Sie wollen angemessen ausgelastet werden und einen verlässlichen Partner an ihrer Seite haben.

Bine: Vielen lieben Dank Ingeborg

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