928. Tag | Freundschaft mit dem Fuchs

Dezember 07, 2019

"Musst du wirklich alle diese Begriffe auswendig lernen Bine?", fragte mich meine Mutter heute morgen am Telefon, nachdem sie den letzten Blogartikel gelesen hatte. Ein bisschen Grinsen musste ich schon, weil ich mir beim Auflisten der zahlreichen Wortsignale mit Körpersprache genau diese Frage stellte. Ich sah mich schon mit Vokabelbuch in der einen und Gubacca in der anderen Hand auf unseren Spaziergängen. Während ich noch nach der richtigen "Vokabel" suchte, wäre Zwerg-Riese wahrscheinlich über alle Berge auf und davon... Nein, Zweck der ganzen Übung war ein ganz anderer. Meiner Trainerin ging es darum, dass ich mich einfach mit meiner Körpersprache auseinandersetze und mir bewusst mache, was möchte ich in dem Moment tatsächlich von Gubacca. Das ganze reduziert auf ein paar Wortsignale mit der Überzeugung, das funktioniert. Und es funktioniert tatsächlich. Gestern in unser Trainingsstunde lief Gubacca die komplette Runde ohne Leine und!!!! Tatatata!!!! Wir sind an der Kuhwiese OHNE Leine vorbeigelaufen und Gubacca blieb bei uns. Ich war total stolz auf Gubacca und MICH. Ich hatte meine Angst überwunden und darauf vertraut, dass er bei mir bleibt. Normalerweise bin ich immer sehr schnell mit dem wieder Anleinen und sehe gerne Gefahren, wo keine sind.

Gubacca liebt seine Freitagsstunde sichtlich und er hat jedes Mal ein dickes Grinsen im Gesicht. Die Rute wedelt ständig vor Freude und mir geht jedes Mal so richtig das Herz auf, wenn ich sehe wie viel Spaß ihm das Training macht. Kein Vergleich zu dem gestressten Hund auf dem Hundeplatz. Dabei sind die Übungen sogar oft ähnlich. Da ist er - der Hund, den ich so liebe. Ein kleiner Schalk, der mich immer wieder mit seiner Lebensfreude zum Lachen bringt und der soooooo viel Freude an den kleinen Dingen im Leben empfindet. "Sieh deinen Hund mit dem Herzen und nehme ihn als Persönlichkeit mit allen seinen Facetten wahr", hatte mir unsere Trainerin in der ersten Stunde geraten. "Er ist nicht der Gos, der mit den typischen Eigenschaften und auch nicht Chiru - das ist dein Gubacca." Während wir gestern gemeinsam unsere Runde liefen sah ich für einen kurzen Moment eine Vision aus der Zukunft vor mir. Gubacca lief tänzelnd und fröhlich ohne Leine neben mir und sein Blick sagte: Hey Bine, was machen wir jetzt tolles gemeinsam?" Um uns herum waren viele Menschen, es war laut und trubelig, Hunde bellten, Autos hupten... Aber wir beide waren zusammen wie in einer Seifenblase und haben davon überhaupt nichts wahrgenommen. Uns war nur wichtig zusammen zu sein und etwas tolles zu erleben... Das ist das Ziel, dass wir gemeinsam in den nächsten Wochen  mit unserem Training erreichen wollen/werden.



Anstatt Hausaufgaben gab es von unserer Trainerin diesmal eine Geschichte aus dem kleinen Prinzen für mich mit auf den Weg:

Freundschaft mit dem Fuchs


.... »Komm und spiel mit mir«, schlug der kleine Prinz vor. »Ich bin so traurig …« »Ich kann nicht mit dir spielen«, sagte der Fuchs. »Ich bin nicht gezähmt.« »Ah! Verzeihung«, sagte der kleine Prinz. Was bedeutet ›zähmen‹?« »Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.« »Vertraut machen?« »Natürlich«, sagte der Fuchs. »Du bist für mich nur ein kleiner Junge, ein kleiner Junge wie hunderttausend andere auch. Ich brauche dich nicht. Und du brauchst mich auch nicht. Ich bin für dich ein Fuchs unter Hundertausenden von Füchsen. Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt …«»Ich verstehe allmählich«, sagte der kleine Prinz. »Da gibt es eine Blume … ich glaube, sie hat mich gezähmt …«

»Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander und alle Menschen sind gleich. Das langweilt mich ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben heiter wie die Sonne sein. Ich werde den Klang deiner Schritte von den anderen unterscheiden lernen. Alle anderen Schritte jagen mich in meinen Bau. Deine Schritte werden mich wie Musik aus meinem Bau herauslocken. Und dann schau! Siehst du dort die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Weizen ist für mich ohne Nutzen. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig! Aber du hast goldene Haare. Wie wunderbar es sein wird, wenn du mich gezähmt hast! Der goldene Weizen wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Brausen des Windes durch den Weizen lieben …«

Bitte … zähme mich!«, sage er. »Das würde ich gern tun«, antwortete der kleine Prinz, »aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge lernen.« »Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs. »Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Da es aber keine Läden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, dann zähme mich!«»Was muss ich machen?«, sagte der kleine Prinz. »Du musst sehr geduldig sein«, antwortete der Fuchs. »Du wirst dich zunächst mit einem kleinen Abstand zu mir in das Gras setzen. Ich werde dich aus den Augenwinkeln aus anschauen und du wirst schweigen. Sprache ist eine große Quelle für Missverständnisse. Aber jeden Tag setzt du dich ein wenig näher …«

(Auszug aus "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry)





Warum diese Geschichte?

Der Fuchs lehrt dem kleinen Prinzen, dass die Kunst des Zähmens ein langwieriger Prozess ist. Man muss dabei nicht nur sehr geduldig sein, sondern auch behutsam und diszipliniert vorgehen. Durch das Zähmen löst der kleine Prinz den Fuchs aus der Masse heraus und er wird für ihn einzigartig. Sie schaffen gemeinsam eine Verbindung bei dem beide den anderen brauchen. Die gemeinsam verbrachte Zeit bekommt für beide eine Bedeutung und die Unterschiede verblasen. Zum Schluss gibt der Fuchs dem kleinen Prinzen noch eines meiner Lieblingszitate mit auf den Weg:

»Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« 

Und er lehrt auch Verantwortungsbewusstsein, denn du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.

Besser und schöner kann man  wie ich finde die Bindung zwischen Hund und Mensch  nicht beschreiben und ja liebe Trainerin Gabi, die Geschichte hat mich nicht nur sehr berührt, sondern auch nachdenklich gemacht. Aber nicht nur in Bezug auf mich und Gubacca, sondern auch wie schnell die Menschen geneigt sind, zu schnell aufzugeben und einen Welpen wieder zurückzugeben. Ein Mensch den ich  mag und schätze, hat gestern seinen Welpen wieder zum Züchter zurückgegeben. Mich beschäftigt das sehr und es hat mich auch sehr traurig gemacht.




Wie sagte der Fuchs zu dem kleinen Prinzen:

»Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Da es aber keine Läden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, dann zähme mich!« »Was muss ich machen?«, sagte der kleine Prinz. »Du musst sehr geduldig sein«, antwortete der Fuchs...

Es gibt immer Situationen in denen man für sich zugeben muss, dass man seinem Hund nicht gerecht wird. Lebenssituationen verändern sich und das Wohl meines Hundes muss dabei immer in den Vordergrund stehen. Aber man muss auch mal  einen steinigen Weg gehen, um sein Ziel zu erreichen.

Ich muss manchmal an einen Donnerstag abend in der zweiten Woche mit Gubacca denken. Kevin tobte durch das Wohnzimmer und war mit nichts zu beruhigen. Die wilden 5-Minuten am Abend entwickelten sich bei uns langsam aber sicher zur Bines Horror-Stunde am Abend. Ich fühlte mich hilflos - wusste nicht wie ich den Rabauken in den Griff bekommen sollte. Weinend rief ich meine Mutter an und sie fragte mich: "Binchen, wäre es nicht besser Gubacca wieder abzugeben? Seine Züchterin ist doch am WE in Dortmund..." Aber nein, aufgeben war für mich keine Option.  Was hier auf dem Blog oft lustig als "Kevin" dargestellt wurde, hat mir oft schlaflose Nächte bereitet. "Wirst du diesen Hund später bändigen können?", fragte ich mich oft. Heute denke ich darüber "Glück gehabt!" Viele Probleme die ich gleich zu Beginn hatte, bekommen andere erst mit der Pubertät oder später. Wir sind einen steinigeren Weg als andere gegangen - aber er hat sich gelohnt! Ich musste lernen Gubacca besser zu verstehen, Stress-Signale besser zu deuten und ihm klarere Grenzen zu setzen. Das Ergebnis ist heute ein toller und sehr, sehr liebenswerter Freund an meiner Seite. Ein Hund der mich sehr liebt und der mein Herzenshund geworden ist. Liebe Menschen da draußen - gebt nicht zu schnell auf! Sucht euch Hilfe und sprecht offen über die Probleme, die ihr habt, denn:

"Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast..."

Mit diesem sehr emotionalen Blogartikel wünsche ich euch allen einen schönen 2. Advent! Wir hatten heute schon um 8 Uhr Mantrailing und die vermisste Person wurde trotz Dunkelheit, Wohngebiet und  starken Wind  nach rekordverdächtigen 15 Minuten am Warenausgang vom Supermarkt von Superspürnase-Bacca gefunden :-).

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