Wenn Kopfkino zur Überholspur wird

Januar 08, 2025

Was könnte dieses verrückte Foto nur bedeuten? Bines weitere Versuche mit der KI-Fotobearbeitung, die doch ein wenig aus dem Ruder gelaufen sind? Ganz so abwegig wäre das nicht, wenn ich an die Fotos für die Geschichte von Sam & Elisabeth (die Geschichte findet ihr hier) denke, die mich echt Nerven gekostet haben. Aber es handelt sich tatsächlich um ein Bild, das ich mir neuerdings häufig vorstelle, wenn mein Kopfkino der drohenden Katastrophen sich mal wieder verselbstständigt. 

 

Eine Wiese auf der viele Holzbrücke stehen und überhaupt keinen Zweck erfüllen, da es keine Hindernisse zu überwinden gibt.

Zahlreiche kleine Holzbrücken, die einfach mitten auf einer Wiese stehen. Eine vollkommen sinnlose Vorstellung, oder? Wozu Brücken, wenn es keine Hindernisse gibt, die wir überqueren müssen? Eine neue Mediationsübung, bei der man anstatt Schäfchen Brücken zählt? Na, dafür wären es zu wenige – oder ihr schlaft genauso schnell wie ich immer ein. Aber die Sinnlosigkeit bei dem Bild ist genau der Punkt, auf den es ankommt. Wie oft neigen wir dazu, schon nach Lösungen zu suchen, für Probleme, die noch gar nicht existieren? Für was benötigen wir eine Brücke, wenn da überhaupt kein Hindernis ist?
 
Genau diese Neigung von uns Menschen, Probleme vorwegzunehmen, thematisiert Tanja Behrendt in ihrem Buch „Keep Cool, Frauchen“, das ich vor kurzem gelesen habe. Sie beschreibt das so treffend als "Brücken auf weiter Flur" – also Lösungen für Hindernisse, die es gar nicht gibt. Diese Metapher hat sich bei mir eingebrannt, weil sie mir verdeutlicht hat, wie viel Energie ich darauf verschwende, über "Was wäre, wenn..." nachzugrübeln. Und ja, ich habe mich in einigen ihrer Beispiele wiedererkannt.
 
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt mir, wie ich oft selbst dafür gesorgt habe, dass mein Kopfkino Realität wird. Ein perfektes Beispiel ist  unser Stadtbesuch in Garmisch  in unserem Allgäu-Urlaub. Ich war mir im Vorfeld absolut sicher, dass es schiefgehen würde, weil ich wusste, dass in Garmisch immer viel los ist. Mein Kopfkino hat mir schon die Szenen geliefert: Gubacca, hektisch an der Leine, alles und jeden ankläffend, und ich, völlig entnervt und hilflos am anderen Ende. Wie ein Magnet habe ich genau das angezogen – meine Anspannung hat sich direkt auf Gubacca übertragen, und der Spaziergang war tatsächlich eine Katastrophe. Den Beitrag könnt ihr hier nachlesen.
 

 

Gubacca und ich beim Stadtbummel in Zierikzee – Markttrubel gelassen gemeistert!

Vergleiche ich das mit einem Stadtbummel aus unserem letzten Zeeland-Urlaub, wird der Unterschied deutlich. Ich hatte mir Zierikzee als verschlafenes Nest vorgestellt und Gubacca einfach mitgenommen. Tatsächlich entpuppte sich der Ort als quirliges Städtchen mit Markt und vielen Menschen. Und siehe da: Gubacca war zwar aufgeregt, aber weit entspannter als in Garmisch. Warum? Weil ich diesmal ohne Vorurteile und mit einer inneren Gelassenheit an die Sache herangegangen bin. Eine wertvolle Lektion für mich.
 
Tanja Behrendt empfiehlt in solchen Momenten, innezuhalten und sich bewusst zu machen, welche Gedanken gerade durch den Kopf schwirren. Ist das Problem überhaupt real? Oder male ich mir gerade eine Situation aus, die nie eintreten wird? Baue ich Brücken, die überhaupt nicht benötigt werden? Mir hilft die Zeichnung mit den Brücken auf der Wiese immer sehr – sie bringt mich zum Schmunzeln und lenkt meinen Fokus auf das Hier und Jetzt.
 
Statt mir einen "Marley & Ich"-Moment auszumalen, stelle ich mir lieber eine Szene mit Lassie vor – wir meistern das schon gemeinsam. Genauso wichtig ist es auch, unseren Hunden zu vertrauen. Klar, "Marley & Ich" war ein lustiger Film, aber in meinem Kopfkino wünsche ich mir eher Lassie als Hauptfigur – den Hund, der jede Herausforderung meistert. Dieses Vertrauen zu entwickeln, braucht Zeit und Übung, aber es zahlt sich aus. Ich stelle bei Gubacca so oft fest, wie wichtig es ist, sich stressigen Situationen immer wieder gemeinsam zu stellen. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Ponyhof auf unserer Lieblingsrunde. Sobald wir uns nur dem Grundstück nähern, kommt eine Meute wild kläffender Hunde an den Zaun gerannt. Wie Gubacca darauf anfangs reagierte, könnt ihr euch bestimmt sehr gut vorstellen. Da kam sofort das volle spanische Temperament zum Einsatz. Heute geht er vollkommen entspannt an dem Ponyhof vorbei, weil er genau weiß, dass die fremden Hunde hinter dem Zaun bleiben. Wenn wir an unsere Vierbeiner glauben, geben wir ihnen die Chance, uns positiv zu überraschen.
 
Gos d'Atura Gubacca vollkommen entspannt mit seiner Freundin Nika

Ein weiterer hilfreicher Tipp aus dem Buch: Flexibilität bewahren. Anstatt starre Pläne für alle Eventualitäten zu entwickeln, ist es hilfreicher, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. Das ermöglicht es, auf tatsächliche Herausforderungen angemessen zu reagieren, ohne von vorgefassten Vorstellungen eingeschränkt zu werden. Und wenn sich doch wieder ein falscher Film bei mir einschmuggeln möchte, ersetze ich ihn ganz schnell durch meine idyllische Sommerwiese im Sonnenschein, mit – ihr wisst schon – ganz vielen unsinnigen kleinen Holzbrücken, die wir überhaupt nicht brauchen.

In diesem Sinne: "Keep cool!"


Quellangabe: Tanja Behrendt „Keep Cool, Frauchen“ 
Hinweis: Das Buch habe ich mir in meiner Lieblingsbücherei ausgeliehen.


  • Share:

You Might Also Like

1 Kommentare

  1. Wieder sehr schön auf den Punkt gebracht. Keep cool, monkey mind abstellen, dem Leben vertrauen und wie der Bambus im Wind und das Wasser sich anpassen ohne Anstrengung.

    AntwortenLöschen

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Wir freuen uns immer riesig über Rückmeldungen.
Liebe Grüße
Bine & Gubacca