1116. Tag | Reistagebuch Ahnatal Tag 5

Mai 27, 2020

Ich glaube, ich benenne das Reisetagebuch ab sofort in "Der Tag danach" um. Immer wenn ich euphorische Blogartikel verfasse wie toll etwas gelaufen ist, passiert etwas. Erst "verschwindet" meine Schwester spurlos im Park und wird von der Supernase nicht gefunden und  dann sitze  ich mit Gubacca  auf dem Hohen Dörnberg fest, weil uns eine Rinderherde umzingelt. Eins kann ich euch gleich vorweg verraten: Mut und Entschlossenheit wie noch am Vortag - Fehlanzeige. Ich bin dann  doch eher der Typ "Kluge Ratschläge erteilen" statt sie auch selbst zu befolgen.



Aber fangen wir von vorn an...  Heute ging unsere Abendrunde zum Hohen Dörnberg. Micky, meine Schwester, ist immer ein richtiger Schatz und  ließ mich oberhalb der Helfensteine mit dem Auto raus, damit Gubacca in der Wärme nicht so weit laufen musste. "Warte auf der großen Segelfliegerwiese auf mich, ich parke unterhalb und komme nach..." Ohne richtig zuzuhören war ich schon ausgestiegen und auf dem Weg zu den Helfensteinen. Die Helfensteine sind eine durch Erosion freigelegte Felsformation von denen man einen herrliche Aussicht auf Ahnatal hat, wo ich aufgewachsen bin.  Und wer musste da auch sofort hoch? Die Bine natürlich! In manchen Dingen bin ich wie ein kleines Kind, das man nicht aus den Augen lassen darf. Sobald ich etwas zum Klettern entdecke, bin ich auch schon unterwegs. 



Gubacca fand die ganze Aktion natürlich wieder toll. Wie eine Bergziege zog er mich den Berg hinauf und kannte keine Höhenangst. Bei jedem Teilstück dachte ich zwar  "Nur  noch bis zu diesem Felsen und dann drehst du um!", aber irgendwann stand ich dann doch ganz oben. 




Micky war inzwischen am vereinbarten Treffpunkt angekommen und konnte nur noch mit dem Kopf schütteln, als sie mich hoch oben über die Felsen klettern sah. Gubacca von links, Gubacca von rechts - solche Augenblicke mussten natürlich gebührend mit der Kamera festgehalten werden und ich vergaß alles um mich herum.







Aber dann sah ich mein armes Schwesterchen einsam unten auf der Wiese stehen und mich packte das schlechte Gewissen. Und plötzlich war auch der Rausch verschwunden und mir wurde bewusst - da musst du jetzt auch wieder  runter kommen.  Dummerweise ist es mit Hund deutlich einfacher einen hohen Felsen hochzuklettern, als wieder runter zu kommen und der Abstieg benötigte meine volle Konzentration. Und dann sah ich sie aus den Augenwinkeln! Die noch vor wenigen Minuten in der Ferne grasenden Rinder marschierten direkt auf die Helfensteine zu. Innerhalb kürzester Zeit hatte die riesige Herde den gesamten Wiesenbereich in Beschlag genommen und wir saßen fest. Jetzt gab es nur zwei Möglichkeiten: Auf den Helfensteinen übernachten oder Augen zu und durch... 


Ich überlegte die Sache auszusitzen und einfach zu warten, aber blöderweise wartete unten ja Micky auf mich. Außerdem wurden es statt weniger Rinder immer mehr. Irgendwann blieb mir wirklich nichts anderes übrig und ich musste es wagen. Mein Kopfkino beim Abstieg wäre garantiert ein Kassenschlager geworden und ich war heilfroh, dass Gubacca einfach nur ruhig neben mir herlief. Sobald einer der Riesen nur in unsere Richtung schaute, setzte bei mir das Herz kurz aus und ich sah sie schon im Galopp auf uns zu laufen. Der Stein, der mir vom Herzen fiel als wir unten ankamen war riesig! Und aus der Ferne betrachtet war das Spektakel wirklich beeindruckend. 




Um die offenen, ausgedehnten Kalkmagerrasen zu erhalten, haben mehr als 140 Rinder auf dem Dörnberg ihr Sommerquartier. Die Tiere verteilen sich über das weitläufige Gelände und werden von den Landwirten täglich versorgt. Dummerweise habe ich genau ihre Fütterungszeit erwischt und das war auch der Grund warum sich die  Herde am Fuß der Helfensteine sammelte. 



Auch Micky war total erleichtert, dass wir zu dritt unsere Abendrunde fortsetzen konnten. Für diesen Abend hatten wir genug Abenteuer und machten uns auf den Weg zu der Wichtelkirche. Um das graue Basaltgestein rankt eine Sage, die auf das Ende der germanischen und den Beginn der christlichen Religion der Region hinweist. Demnach verliebte sich ein listiger Wichtelkönig in ein junges Mädchen aus Zierenberg. Er begegnete ihr in Menschengestalt, hatte aber einen anderen Glauben als das Mädchen. Unter der Bedingung, dass er Christ wird, sollte dann die Hochzeit stattfinden und er baute eine kleine Kirche aus funkelnden Bergkristall. Das Mädchen fand die schöne Kirche aber kalt und seelenlos und lehnte die Ehe ab. Daraufhin verwandelte sich die Kirche in das graue Basaltgestein. 


Ein bisschen Fantasie braucht man dann aber doch, um in den Felsen eine Kirche zu erkennen. Zum Schluss haben wir noch einen neuen Lieblingsplatz für uns entdeckt. Diese tolle Liegebank liegt in einer versteckten Ecke und man hat von dort  einen herrlichen Blick über das Tal. 




Quer über die Segelfliegerwiese ging es dann zurück zum Auto. Die Einsamkeit auf dem Panorama-Foto ist jedoch trügerisch. So durften wir wieder einmal feststellen, wie schwer es manchen Menschen fällt, einfach ihre Hunde anzuleinen, wenn wir keinen Kontakt haben möchten. So durften wir uns zwischen der nächsten Rinderherde oder zwei freilaufenden großen Rüden entscheiden. Mittlerweile sind wir ja schon fast Cowgirls und so fiel uns die Entscheidung nicht schwer.




Deutlich ruhiger und entspannter verlief unser Vormittag im Bergpark Wilhelmshöhe. Den Teil des Tagebuches verschiebe ich auf morgen - langsam wird es spät und Gubacca liegt schon vor der Wohnungstür und wartet auf die Spätrunde.

Ich wünsche euch allen eine gute Nacht und hätte doch jetzt fast die 5. Rätselfrage vergessen ;-)

Wie heißt der Ort in dem ich aufgewachsen bin?



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