Von Staus, Irrwegen und Krankenhaus: Unser chaotischer Start in Lechbruck
Bei der Urlaubsvorfreude hat man ja oft ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: Koffer ordentlich gepackt, ein früher Start, die Berge rücken Stunde um Stunde näher – und spätestens am Nachmittag steht man selig am Ziel. So in etwa hatte ich mir den Start für unsere zwei Wochen in Lechbruck am See ausgemalt.
Kurz vor halb zwölf ging es dann endlich los. Herr Mini-Rütter war bester Stimmung. Triumphierend zeigte er auf das Navi: „Geplante Ankunft: 19 Uhr. Perfekt!“ Ich sah ihn nur an. „19 Uhr? Vergiss es. Ich sage 20.30 Uhr. Mindestens.“ Ich kenne die Tendenz dieser Strecke, pro Stau eine Viertelstunde draufzulegen – und die Autobahn kennt unsere Urlaubsplanung inzwischen auch.
Und genau so kam es: Stau an Stau, das Navi verschob die Ankunftszeit unbarmherzig nach hinten, und mit jedem Blinken der Anzeige stieg mein „habe ich’s nicht gesagt?“-Pegel. Mini-Rütter lächelte stoisch weiter, während ich innerlich die Uhr mitzählte.
Als wir endlich im Allgäu ankamen, war es stockdunkel. Der große „Wau-Effekt“ wie beim ersten Urlaub, diese magische Sekunde, wenn die Berge plötzlich vor einem auftauchen, fiel diesmal aus. Statt Alpenpanorama: Nachtfahrt.
Am Rand des Ferienhausgebiets dann die vorsichtige Stimme von Herrn Mini-Rütter: „Vielleicht sollten wir hier parken und zu Fuß schauen, wo unser Haus ist?“ „Ach was!“, winkte ich ab. „Ich weiß genau, wo es liegt. Ich hab den Lageplan studiert.“ Also steuerten wir den Wagen mit sperrigem Fahrradträger in die engen, verschlungenen Sträßchen. Zehn Minuten später irrten wir im Blindflug, Kurve um Kurve, immer tiefer ins Viertel hinein. Eng, unübersichtlich, Hausnummern, die sich jeder Logik verweigerten. Da hätte ich zugeben können, dass er recht hatte. Hätte. Stattdessen marschierte ich mit Taschenlampe bewaffnet los und suchte das Haus.
21.45 Uhr. Endlich standen wir im Ferienhaus – umringt von einem Berg aus Koffern, Taschen und einem sehr geduldigen Gubacca. Und was macht Herr Mini-Rütter als Erstes? Er schaltet den Fernseher an. Testlauf. Ich musste lachen. Männerlogik: Das Haus kann im Chaos versinken, aber Hauptsache, die Glotze läuft.
Natürlich bedeutete Ankunft nicht „ins Bett fallen“. Es war die volle Nachtschicht angesagt: Fahrradträger abbauen, Gepäck ins Haus, Betten beziehen, Gubacca noch mal raus. Irgendwann um 23 Uhr schoben wir müde das Abendessen in uns hinein. Euphorie? Keine Spur. Mein Körper reagierte mit Kopfschmerzen und einer leichten Übelkeit vom viel zu späten Essen. Todmüde marschierte ich nur noch ins Bett. Vorfreude auf die kommenden Tage? Fehlanzeige.
Am nächsten Morgen aber wachte ich auf mit Sonnenschein im Gesicht. Gubacca und ich zogen los auf unsere erste Runde: klare Luft, Blick auf die Berge, der Lechsee glitzerte. Plötzlich war alles da, was man vom Urlaub erwartet. Meine Stimmung hob sich – fast hätte ich gedacht: Jetzt fängt er an, der Urlaub. Dass es anders kommen sollte, ahnte ich nicht.
Es gibt ja diese goldene Regel bei Hundespaziergängen: Beginnt man sie schon gestresst, verlaufen sie selten rund. Offenbar gilt das auch für Urlaube. Denn kaum hatten wir uns eingerichtet, fuhr Herr Mini-Rütter nicht mit mir in die Berge, sondern mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus nach Füssen. Drei Tage Aufenthalt. Und das war erst der Anfang.
Und Gubacca? Für ihn blieb die Welt erstaunlich einfach. Staus, Irrwege, Kofferberge, Krankenhaus – alles perlte an ihm ab. Er verschlief die Fahrt, nahm die neue Umgebung an wie selbstverständlich und schien zu denken: „Solange meine Bine da ist, ist alles gut.“ Manchmal habe ich den Eindruck, er ist der Einzige von uns, der verstanden hat, was Urlaub wirklich bedeutet: nicht Pläne, nicht perfekte Ankunftszeiten, sondern einfach im Moment zu sein.
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