Zwei Tage später war alles wieder anders. Herr Mini-Rütter kam aus dem Krankenhaus und die Sonne legte sich übers Allgäu, als wolle sie das Kapitel einfach überstrahlen. 25 Grad, blauer Himmel und ich war sehr froh, dass ich zu Hause doch noch die kurze Hose eingepackt hatte. (Ich hatte mich ja gefragt, ob das nicht etwas optimistisch wäre. War es nicht.)
Unser Ferienhaus lag im Feriendorf Via Claudia, gleich neben dem gleichnamigen Campingplatz. Sehr praktisch – dort gab’s jeden Morgen frische Brötchen. Zum Lechsee waren es nur ein paar Schritte, und auch sonst war die Lage perfekt: direkt am Waldrand, mitten in der Natur. Leinenpflicht gilt hier überall – nicht, um Hundebesitzer zu ärgern, sondern weil das Wild hier wirklich zuhause ist. Kaum ein Spaziergang, bei dem wir nicht auf ein Rehrudel trafen, das ganz in Ruhe am Waldrand graste.
Die Häuser selbst standen sehr dicht beieinander – mehr Siedlung als Einsiedelei. Man sah sich zwangsläufig, ob man wollte oder nicht. Anfangs hatte ich Sorge, dass das nervig werden könnte, aber es hielt sich erstaunlich gut in Grenzen.
Von außen wirkten die Ferienhäuser hübsch und einladend, innen war unser dann eher… funktional. Nichts Schlimmes, aber eben auch nichts, was Gemütlichkeit verströmt. Strompreise übrigens auch ein Erlebnis: 60 Cent pro Kilowattstunde – zuhause zahlen wir 34. Stromsparen bekam da plötzlich etwas sehr Handfestes.
Und dann kam der Moment, der mich wirklich kurz sprachlos machte: kein WLAN. Nicht etwa schwaches – gar keines. Das Datenvolumen des Anschlusses war offenbar aufgebraucht, und damit hieß es: digitale Funkstille. Ich gebe zu, das traf mich härter, als ich erwartet hatte. Kein Vorwurf an die Vorgänger – wer rechnet auch damit, dass bei dem Preis kein unbegrenztes Internet enthalten ist? Aber der eigentliche Schock war, wie schwer mir das Aushalten fiel. Kein Nachrichtencheck am Morgen, keine Bildersuche für den nächsten Beitrag, kein spontanes „Ich google das kurz“. Man könnte sagen, es war entschleunigend. Ich würde sagen: Es war eine Charakterprüfung.
Das Sofa reichte für uns zwei – bequem sogar. Nur laut Beschreibung sollten hier vier Erwachsene und zwei Kinder Platz finden. Ich hab’s mir kurz vorgestellt und beschlossen: unrealistisch. Vielleicht, wenn man sich sehr gern hat.
Lechbruck – zwischen See, Alltag und Leichtigkeit
Lechbruck hat für mich etwas, das viele Urlaubsorte längst verloren haben: ein Gleichgewicht. Hier teilen sich Einheimische und Urlauber den Ort, ohne einander im Weg zu stehen. Man spürt, dass das Dorf bewohnt ist – nicht nur belegt. Zwischen Ferienhäusern, Bauernhöfen und Wohnhäusern entsteht kein künstlicher Ferienpark, sondern ein echtes Miteinander.
In vielen Regionen werden die Ferienwohnungen immer mehr, und das Leben der Einheimischen rutscht an den Rand. In Lechbruck ist das anders. Man bekommt als Gast einen ehrlichen Einblick, wie die Menschen hier leben, was ihre Dorfgemeinschaft ausmacht. Alle sind freundlich, ohne einstudierte Freundlichkeit. Kein übertriebenes „Willkommen!“, kein genervtes Augenrollen – einfach Normalität.
Abends sitzen Urlauber und Lechbrucker im gleichen Biergarten, tauschen ein paar Worte, lachen über das Wetter – und für einen Moment verschwimmt die Grenze zwischen „daheim“ und „zu Besuch“.
Für Gubacca war Lechbruck ohnehin ein Glücksgriff. Die Umgebung ist wie gemacht für Hunde, die keinen großen Trubel mögen. Weite Wege, viele Ausweichmöglichkeiten, dazu dieses entspannte Tempo, das einen sofort runterholt. Keine hupenden Autos, keine Menschenmassen, nur Natur, Wasser, Wiesen – und überall Platz zum Durchatmen.
Die Radtour, die keiner vergaß
Gefühlte dreißig Grad, strahlender Himmel und Herr Mini-Rütter voller Tatendrang: „Radtour mit Gubacca-Taxi!“ Ich war… weniger euphorisch. Vorab hatte ich ordentlich Bauchgrummeln: zu warm für den Hund, zu viele Räder auf den Wegen (laufen lassen ist da keine gute Idee), und Detlef sollte sich frisch aus dem Krankenhaus nicht übernehmen – er zog schließlich den Hänger. Dazu wir zwei auf echten Analogrädern, ganz ohne „E“, dafür mit viel Pedal.
Der Start war – wie immer – verführerisch: bergab, Rückenwind, Urlaubsgefühl. Nach wenigen Minuten fanden wir einen flachen Lech-Abschnitt; Gubacca durfte Bäuchlein kühlen und sich strecken. Danach rollten wir weiter.
Und ab da tauschten wir die Rollen. Der Katalane lag im Hänger im Schatten, Fahrtwind im Gesicht, sichtlich zufrieden – das beruhigte mich. Herr Mini-Rütter dagegen mutierte zum Helikopter-Herrchen: „Ist es ihm nicht zu warm?“, „Soll er lieber laufen?“, „Wir machen gleich nochmal Pause, ja?“ Kurz gesagt: Wellness im Anhänger – und Sorgenfalten auf dem Zugfahrzeug.
An uns zogen derweil nur E-Bikes vorbei. Ich rümpfte innerlich die Nase: elektrisch… wo bleibt da das „Ich hab was für meinen Körper getan“-Gefühl? Fünf Minuten später kannte ich die Antwort. Puls jenseits der Wohlfühlzone, Atem auf Kurzprogramm, Kopf in Tomatenrot. Analograd-Romantik ist schön – bis die Steigung kommt. Detlef trat tapfer weiter (kaum zu glauben: drei Tage Klinik und jetzt Bergziege), Gubacca blickte aus dem Hänger, als denke er: „Die beste Idee heute hatte eindeutig ich.“
Die Sonne knallte, die Steigungen wurden steiler – und wir hielten auf ausdrücklichen Wunsch von Herrn Mini-Rütter gefühlt alle fünf Minuten „für den Hund“ an. Während wir im Schatten standen, rollten ganze Karawanen anderer Hundeanhänger entspannt an uns vorbei. Keiner der Hunde machte den Eindruck einen Hitzeschock im Hänger zu erleiden... unser auch nicht! Es erinnerte mich fatal an unsere langen Autofahrten: Herr Mini-Rütter möchte auch da ständig Pausen einlegen, „damit Gubacca pieseln kann“.
Umdrehen? Natürlich nicht. „Bei der nächsten Kreuzung kürzen wir ab, dann sind wir schneller zurück.“ Fehlanzeige. Wir verfransten uns gründlich. Jede schattige Stelle wurde zur Rast, jede Pfütze zum Spa-Bereich. Endlich tauchte Lechbruck in der Ferne auf – einmal tief durchatmen… ein lautes Zischen. Reifenpanne.
Zum Glück hatte Herr Mini-Rütter Flickzeug dabei. Gubacca und ich suchten den dicksten Schatten und warteten, bis die Not-OP am Hinterrad geschafft war. Als wir schließlich am Ferienhaus ankamen, war der sportliche Elan verdunstet. Meine Erkenntnis des Tages: Nie wieder ohne E-Bike im Allgäu.
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