Partnachklamm erleben – ein Tag zwischen Wasserrauschen und Parkplatzroulette

Oktober 12, 2025

Bei uns ist das im Urlaub so geregelt: Ich übernehme die Reiseleitung, Herr Mini-Rütter das Steuer. Er findet das eine ausgesprochen faire Arbeitsteilung – schließlich, so seine Begründung, müsse er ja fahren und könne die Landschaft gar nicht richtig genießen. Ich finde: eine hübsche Ausrede, um sich vor jeder Vorbereitung zu drücken. Umso verdächtiger war es, als er Morgens beim Frühstück verkündete: „Heute fahren wir zur Partnachklamm nach Garmisch!“ Ich verschluckte fast meinen Kaffee. Herr Mini-Rütter  hatte sich Gedanken zum Ausflugsziel gemacht? Seine Erklärung brachte mich dann auch zum Schmunzeln: Seit Wochen schaut er auf YouTube Fahrradtests – und in einem dieser Videos wurde zufällig auch die Klamm gezeigt. Klar. Irgend sowas musste ja kommen. 


Die Fahrt von Lechbruck nach Garmisch-Partenkirchen war schon für sich ein kleines Erlebnis. Sie führt über die Deutsche Alpenstraße, und hier gilt wirklich: Der Weg ist das Ziel. Hinter jeder Kurve wartete ein neues Panorama – grüne Hänge, ferne Gipfel, Kuhglocken irgendwo dazwischen. Ich genoss jede Minute auf dem Beifahrersitz. Herr Mini-Rütter dagegen konzentrierte sich sehr auf die Straße – was gut war, denn rechts von mir ging’s stellenweise ziemlich tief runter. Ich schwieg also lieber und bewunderte die Aussicht – er durfte in dem Moment ja nicht wissen, wie viel Aussicht da war. Höhen sind nicht seine Stärke.

Am Skistadion Garmisch endete der malerische Teil abrupt. Der Parkplatz war das genaue Gegenteil der Alpenidylle: ein Labyrinth aus Einbahnstraßen, hupenden Autos und wild suchenden Fahrern. Nach der dritten Runde fühlte ich mich wie in einem schlechten Computerspiel – immer kurz vorm Ziel, dann wieder raus auf die Hauptstraße gespuckt. Ich bin ohnehin heikel, was Parklücken angeht: lieber eine Straße weiter und Platz zum Atmen, als irgendwo zwischen zwei Stoßstangen eingequetscht. Meine Mutter schimpft deswegen regelmäßig, wenn sie mit mir einkaufen fährt – sie nennt es „Wandertag mit Parkplatzgarantie“.



Nach mehreren Ehrenrunden wollten wir schon aufgeben, als uns eine Gruppe Passanten entgegenkam. Ich ließ das Fenster runter und fragte, ob es irgendwo noch einen Parkplatz gäbe. Eine ältere Dame lächelte freundlich: Nein, aber sie sei gerade auf dem Weg zu ihrem Auto – wir könnten ja ihren Platz nehmen. Klingt einfach, dachte ich. Nur: Wie sollten wir sie in diesem Irrgarten wiederfinden? Die Lösung war… pragmatisch. Sie stieg einfach bei uns ein.

Und dann wurde es filmreif. Je länger wir suchten, desto aufgeregter wurde sie. Sie deutete mal nach links, mal nach rechts – vorzugsweise in gesperrte Straßen – und seufzte schließlich: „Das ist mir zu aufregend!“ – sprang aus dem Auto und entdeckte Sekunden später triumphierend ihren Wagen: einen alten, winzigen Polo, schräg in eine Lücke gedrückt, in die mein Sportage nicht mal mit zusammengeklappten Spiegeln gepasst hätte. Herr Mini-Rütter gab wenige Minuten später sein Bestes, meinen schwarzen Riesen doch noch in die Lücke zu bugsieren, bis zwei Frauen uns lachend ihren Platz anboten – doppelt so groß, doppelt so dankbar angenommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit Parkplatzroulette: geschafft.

Endlich ausgestiegen! Aber standen wir hier überhaupt richtig? Die große Skischanze war beeindruckend, nur eben nicht unser Ziel. Erst als wir ein paar Leute fragten, war klar: Ja, wir sind richtig. Nur dass der eigentliche Eingang der Partnachklamm noch gut zwanzig Minuten Fußmarsch entfernt lag! Ich musste über  meinen tiefer Seufzer schmunzeln – jetzt zähle ich auch schon zu den  verwöhnten Touristen, die am liebsten bis vor die Tür fahren möchten. 



Aber immerhin: Der Weg lohnt sich. Schon der erste Blick in die Klamm ist ein kleines Naturwunder. Seit über hundert Jahren stürzt sich hier die Partnach zwischen senkrechten Felswänden hindurch – 700 Meter lang, bis zu 80 Meter tief. Ursprünglich wurde der Steg Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, damit Holzarbeiter die gefällten Baumstämme sicher durchs Tal treiben konnten. Heute rauscht das Wasser nicht mehr für den Broterwerb, sondern für staunende Besucher – und das mit voller Wucht.


Mitten im Fels – die Kraft der Partnach

Nach wenigen Schritten in der Klamm war das Rauschen allgegenwärtig. Wasser, das fällt, sprüht, tost. Es tropfte von oben, sprühte von der Seite – und nach kurzer Zeit war klar: Trocken bleibt hier keiner.
Die Temperatur fiel spürbar, von sommerlich warm zu feuchtkühl in Sekunden. Die Wände ragten senkrecht nach oben, schwarz glänzend vor Nässe, und immer wieder brach ein Lichtstrahl durch das Gestein, als hätte jemand die Natur persönlich beleuchtet.




Zwischendurch führten schmale Tunnels direkt durch den Fels. An manchen Stellen war es so dunkel, dass man die Hand kaum vor Augen sah – eine Taschenlampe wäre wirklich hilfreich gewesen. Aber gerade dieses Wechselspiel aus Dunkelheit, Rauschen und Licht machte den Reiz aus.




Mitten in dieser Kulisse stand sie plötzlich da: eine kleine Madonna, hoch oben im Fels. Unscheinbar, fast übersehen – und doch mit einer erstaunlichen Ruhe. Sie blickt hinunter auf das tosende Wasser, als wolle sie wachen. Die Figur steht dort seit über hundert Jahren, vermutlich seit der Erschließung der Klamm Anfang des 20. Jahrhunderts. Als man sie vor Kurzem restaurierte, fand man im Innern alte Münzen aus Kupfer, Silber und Gold – kleine Opfergaben, ein stummes Dankeschön derer, die hier einst durchgingen.


Ich blieb stehen, einfach um den Moment festzuhalten. Irgendetwas an dieser Szene – der Lärm des Wassers, die Dunkelheit und dann dieses winzige Symbol der Ruhe – hatte etwas Tröstliches. Wie ein stilles Augenzwinkern der Natur: „Du darfst klein sein. Ich hab dich im Blick.“ Danach ging es weiter, vorbei an Gischt, Tropfen und Felsengräben, bis wir am anderen Ende der Klamm wieder ins Licht traten. Sonne, Wärme, Stimmen – alles fühlte sich kurz unwirklich an, als käme man aus einer anderen Welt zurück.




Hunde sind in der Partnachklamm grundsätzlich erlaubt – an der Leine, versteht sich. Und natürlich denkt man im ersten Moment: Prima, das wird ein Abenteuer für alle! In der Realität sieht das dann etwas anders aus. Der Weg ist schmal, an manchen Stellen kaum breiter als ein schmaler Steg. Links der Fels, rechts das rauschende Wasser – und wenn dann noch ein anderer Hund entgegenkommt, kann’s kurz sportlich werden. Dazu kommt die Geräuschkulisse: Das Donnern des Wassers, das Echo zwischen den Wänden, die Dunkelheit in den Felstunneln – für viele Hunde eine echte Reizüberflutung. An ruhigen Tagen ist das sicher machbar, aber bei großem Besucherandrang würde ich zweimal überlegen, ob man seinem Vierbeiner wirklich einen Gefallen tut.



Wer merkt, dass das zu viel des Guten ist, hat rund um den Eingangsbereich wunderbare Alternativen: breite Wege entlang der Partnach,  mit Aussicht und viel Platz zum Durchatmen. Ideal also, wenn einer die Klamm erkundet und der andere mit dem Hund die Ruhe drumherum genießt.




Der Eintritt kostet übrigens 10 Euro pro Person – und ja, das ist gut angelegt. Kaum ein Ort zeigt so eindrucksvoll, wie gewaltig, laut und gleichzeitig schön Natur sein kann. Und wenn man am Ende wieder ins Sonnenlicht tritt, halb nass, halb überwältigt, weiß man: Das war kein Spaziergang – das war ein Erlebnis.

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