Wir haben uns in den ersten drei Kapiteln angeschaut, wie der Gos tickt. Was in seinem Kopf los ist, warum er oft so anders reagiert als andere Hunde – und wie seine besondere Art der Reizverarbeitung ihn manchmal aus der Kurve fliegen lässt. Jetzt geht’s ans Eingemachte: Was hilft, wenn’s kracht?
Wenn du schon mal mit einem tobenden Gos mitten auf einer gut besuchten Seebrücke gestanden hast, weißt du: Das sind keine Momente, in denen man cool bleibt, analysiert oder pädagogisch wertvolle Entscheidungen trifft. Da geht’s nur noch um Schadensbegrenzung – für Mensch, Hund und das eigene Nervenkostüm. Solche Situationen brennen sich ein. Und sie werfen Fragen auf: Was mache ich, wenn mein Hund ohne Vorwarnung austickt? Wenn er mich anspringt, in die Ärmel schnappt oder gar nicht mehr ansprechbar ist?
Ich hab genau da gestanden. Mehr als einmal. Zum Beispiel, wenn ich mit Gubacca und seinem besten Kumpel Lennox unterwegs war. Die beiden hatten vorher auf einem eingezäunten Gelände getobt, Lennox war danach tiefenentspannt – Gubacca? Nicht mal ansatzweise. Auf dem anschließenden Spaziergang kippte plötzlich alles. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum ging das bei Lennox und nicht bei meinem Hund? Oder diese eine Mittagsrunde vor der Arbeit, die sich tief bei mir eingebrannt hat: Alles lief ruhig – bis es plötzlich explodierte. Gubacca sprang mich an, ließ sich nicht beruhigen, ich kam keinen Schritt weiter. Ich war verzweifelt, wütend, überfordert – und musste danach ins Büro, als wäre nichts gewesen. Zuhause habe ich geweint. Nicht nur einmal.
Und genau deswegen ist dieses Kapitel für mich mit das wichtigste in dem Gos-ABC zum Thema Pubertät. Weil ich weiß, wie es sich anfühlt. Und weil ich irgendwann – zwischen Tränen, Frust und „Ich-will-einfach-nur-einen-Hund-und-keinen-Therapie-Fall!“-Momenten – ein paar Dinge gefunden habe, die wirklich geholfen haben. Nicht immer. Aber langfristig.
Ruhig bleiben – so gut es eben geht
Leichter gesagt als getan, ja. Aber entscheidend. Wenn Gubacca eskalierte, half kein Schimpfen, kein „Nein!“, kein Ziehen. Ich habe irgendwann einfach aufgehört, zu reden. Nur noch durchgeatmet, innerlich runtergezählt und geschaut, wie wir möglichst schadlos rauskommen. Manchmal bin ich einfach weggegangen, wortlos. Kein Drama. Kein Kommentar.Warum das hilft: Ein Hund im Ausnahmezustand braucht keinen Gegenpol, der mit an der Stressschraube dreht. Er braucht Halt – und den kann ich nur geben, wenn ich selbst innerlich wenigstens halbwegs sortiert bin.
Reizreduktion – nicht halb, sondern richtig
Nach dem berühmten Modderloch-Zwischenfall war klar: Die körperliche
Erregung allein war nicht das Problem. Es war die Summe aus Reizen, die
ihn zum Kippen brachte. Eigentlich hatte Gubacca den Spaziergang am
Schloss Lütinghof super gemeistert – viele Menschen, viele Hunde. Bis er
irgendwann in die Leine biss, ich die Leine fallen ließ, er abdüste –
und mit Karacho im Modderloch landete. Danach war der Stecker gezogen.
Was geholfen hat? Wir haben deshalb Spaziergänge in den "Hoch-Phasen" radikal vereinfacht: ruhige Umgebung, kein wildes Spiel unterwegs, keine Begegnungen. Und wenn doch – dann mit großem Abstand. Keine großen Trainingseinheiten. Nur laufen, schnüffeln, runterkommen.
Warum das hilft: Der Gos verarbeitet Reize langsamer und intensiver. Jeder neue Reiz bleibt länger im System. Wird es zu viel, eskaliert er – weil das Nervensystem nicht mehr regulieren kann
Struktur statt Action
Was dem einen Hund Sicherheit gibt, ist für den anderen einfach nur zu viel. Gerade beim Gos ist weniger oft mehr. Statt ständig wechselnden Spaziergängen mit neuen Reizen haben wir wie eben schon erwähnt, eine Handvoll vertrauter Routen gewählt – mit wenig Überraschungspotenzial. Klingt langweilig – war aber Gold wert. Unsere Rettung: Ein kleines Wäldchen, nur wenige Gehminuten von zuhause entfernt. Kaum Menschen, kaum Reize.Immer wenn Gubacca drohte, innerlich zu explodieren, sind wir dorthin geflüchtet. Anstatt "Gubacca muss sich einfach mit Kumpel Lennox auspowern!" - ruhige Suchspiele. Kein ständiges üben neuer Situationen. Kleiner Reminder: Nicht jeder Hund muss in den Baumarkt - auch wenn es damals gerade "Mode" war.
Warum das hilft: Der Gos braucht Wiederholungen, um Situationen einzuordnen. Unbekanntes wird schnell zur potenziellen Gefahr. Was vertraut ist, kann er innerlich abhaken – und sich entspannen.
Innere Haltung schlägt jede Methode
Ich musste nicht strenger werden. Ich musste klarer werden. Gubacca spürte sofort, wenn ich unsicher war – und füllte die Lücke. Mit Aktion. Mit Übersprung. Heute singe ich manchmal leise vor mich hin, wenn’s brenzlig wird. Klingt albern – bringt aber Ruhe in meine Stimme. Unser Herr Mini-Rütter wurde immer schnnell hektisch, wenn in der Ferne etwas auftauchte – und prompt war Gubacca auf Alarmstufe 300. Klar wurde: Meine Stimme ist mein wichtigstes Werkzeug. Ableinen? Nie mit Hektik. Sondern ein extra-ruhiges „Oookkkay“ – fast im Yoga-Tonfall.
Warum das hilft: Der Gos orientiert sich an Souveränität, nicht an Lautstärke. Er reagiert auf Druck mit Gegendruck. Oder zieht sich zurück. Ruhige, klare Führung gibt ihm Halt – immer wieder.
Sensibel – aber nicht zerbrechlich
Der Gos wird oft als sensibel beschrieben. Und das stimmt auch – aber nicht so, wie man sich das vielleicht vorstellt. Gubacca hat feine Antennen. Er spürt sofort, wenn ich unsicher bin, wenn ich zögere, wenn ich innerlich schwanke. Aber das heißt nicht, dass er zerbrechlich ist. Im Gegenteil:
Er hält viel aus, würde sich jederzeit körperlich verteidigen und geht bei Überforderung oder Frust schnell auf 300. Dann setzt er so viele Stresshormone frei, dass er praktisch kein Schmerzempfinden mehr hat. Grenzen? Nur, wenn sie klar und verlässlich sind.
Ich musste lernen, dass Sensibilität nicht heißt: „Bitte sanft behandeln.“ Sondern: „Sei eindeutig.“ Nicht laut. Nicht hart. Aber konsequent. Kein Wackeln im Blick. Kein Bitten. Kein Diskutieren. Sobald Gubacca merkt, dass er jemanden „unterbuttern“ kann, macht er das auch. Nicht, weil er böse ist – sondern weil er dann übernimmt. Grenzen setzen heißt für ihn: Sicherheit geben. Einen verlässlichen Rahmen bieten, in dem er sich bewegen kann. Nur dann kann er loslassen.
Warum das hilft: Der Gos braucht keine Strenge – aber er braucht Klarheit. Wenn ich wackele, übernimmt er. Wenn ich den Rahmen setze – bleibt er drin. Es ist kein Dominanzspiel. Es ist Führung. Und ja, die fällt vielen von uns nicht in den Schoß. Aber wer die Richtung nicht vorgibt, wird beim Gos zur Orientierungslosigkeit.
Wiederholung. Wiederholung. Wiederholung
Was heute klappt, klappt morgen nicht. Was heute nicht klappt, klappt vielleicht übermorgen. Also: immer wieder üben. Gleiche Situation, gleicher Ablauf. Ohne Druck. Ohne Bewertung. Immer wieder.
Warum das hilft: Der Gos hat keine Standard-Checkliste im Kopf. Er ordnet Situationen individuell ein. Das braucht Wiederholungen – viele. Erst dann wird’s Alltag.
Und da muss ich ehrlich sein: Ruhiges Sitzen und Warten war – und ist – eine echte Herausforderung. Nicht für Gubacca. Für mich. Weil ich nicht gerne auffalle, wenn er bellt wie eine kaputte Sirene. Und ja: Ich habe mich von Misserfolgen abschrecken lassen. Nach einem katastrophalen Biergartenbesuch oder lauten Stadtspaziergängen hätte ich dranbleiben müssen. Bin ich aber nicht. Dieser Punkt geht an mich. Das könnte heute besser klappen, wenn ich am Ball geblieben wäre.
Warum das hilft: Der Gos hat keine Standard-Checkliste im Kopf. Er ordnet Situationen individuell ein. Das braucht Wiederholungen – viele. Erst dann wird’s Alltag.
Und da muss ich ehrlich sein: Ruhiges Sitzen und Warten war – und ist – eine echte Herausforderung. Nicht für Gubacca. Für mich. Weil ich nicht gerne auffalle, wenn er bellt wie eine kaputte Sirene. Und ja: Ich habe mich von Misserfolgen abschrecken lassen. Nach einem katastrophalen Biergartenbesuch oder lauten Stadtspaziergängen hätte ich dranbleiben müssen. Bin ich aber nicht. Dieser Punkt geht an mich. Das könnte heute besser klappen, wenn ich am Ball geblieben wäre.
Hilfe annehmen – und sich nicht schämen
Ich habe offen zugegeben, dass ich mit Gubacca überfordert war, habe angefangen, Menschen um Hilfe zu bitten – vor allem jene, die schon länger mit einem Gos zusammenleben.
Natürlich ist der Austausch mit anderen, die gerade in einer ähnlichen Phase stecken, wichtig. Geteiltes Leid ist halbes Leid, und manchmal tut es einfach gut, verstanden zu werden. Aber noch wertvoller war für mich das Gespräch mit denen, die das Ganze schon durchhaben – oder sich mit den Eigenarten dieser Rasse wirklich auskennen.
Es braucht Mut, zu sagen: Ich weiß gerade nicht weiter. Aber es lohnt sich. So vieles wurde für mich klarer, als ich den Blickwinkel geändert habe – und nicht mehr nur nach schnellen Lösungen gesucht habe, sondern nach Verständnis für die rassebedingten Eigenheiten von Gubacca.
Die Wellen aushalten – statt gegen sie kämpfen
Wenn der Pubertätsschub besonders heftig war, drehte sich bei mir alles nur noch um das eine Thema. Mein Suchverlauf bei google: "Hund beißt in die Leine", "Hund Pubertät", "Hund gestresst"... Irgendwann habe ich dann gemerkt: Ich brauche Pausen. Wirkliche Pausen. Keine halben. Keine "ich lese noch schnell einen Hundeartikel"-Pausen. Ich habe wieder mit dem Nähen angefangen. Bücher gelesen. Bewusst durchgeatmet. In den schwierigen Momenten habe ich mir immer wieder gesagt: Nicht diskutieren, nicht korrigieren, sondern runterfahren, tief atmen und wissen,
es ist nur eine Phase – keine persönliche Katastrophe.
Was mir dabei irgendwann klar wurde: Man hat nur einen ganz kurzen Moment, in dem man einen Gos überhaupt noch erreichen kann, wenn er ausflippt. Ist der Schalter einmal gekippt, kann er nicht mehr auf uns reagieren – egal, was wir tun. Gerade wenn Menschen zuschauen, wollen wir etwas tun. Eingreifen. Reagieren. "Zeigen, dass wir es im Griff haben." Das verschlimmert die Situation aber nur. Auch bei seinen Attacken in meinen Ärmel hörte ich oft: „Da musst du dich besser durchsetzen, das würde ich mir nicht gefallen lassen!“ Aber in diesem Erregungslevel wäre genau das die schlechteste Entscheidung gewesen.
Es hilft nur eins: Stehen bleiben. Ignorieren. Aushalten. Warten, bis er ruhiger wird – und das dauert bei einem Gos oft viel länger als bei anderen Hunden. Bei Hundebegegnungen habe ich es immer wieder erlebt: Während andere Hunde nach ein paar Metern wieder runterfuhren, stand ich mit Gubacca oft gefühlte zehn Minuten einfach nur da, bis er wieder ansprechbar war.
Kleiner "Reminder": Nicht jeder Moment muss repariert werden. Manchmal ist das Beste, was wir tun können: es aushalten – mit Liebe, mit Klarheit, mit Geduld. Und mit verdammt viel Stehvermögen.
Zum Schluss: Ich bin keine Expertin
Ich habe keinen Trainerschein, kein kynologisches Studium und auch keine geheime Hundeschule im Garten. Was du hier liest, sind meine ganz persönlichen Erfahrungen mit Gubacca – unsere Erfolge, unsere Fehler, unsere Umwege.
Aber ich bekomme viele Rückmeldungen von Bloglesern, die sagen: Genau so ist es bei uns auch! Und vieles, was ich schreibe, basiert eben nicht nur auf meinem eigenen Erleben, sondern auch auf diesen vielen ehrlichen Einblicken anderer.
- Reduziere Erwartungen.
- Beobachte genau.
- Handle ruhig und überlegt.
- Wiederhole, was funktioniert.
- Steh Situationen aus, statt sie zu bekämpfen.
- Und vor allem: Bleib bei dir.
Denn in der Gos-Pubertät brauchen sie eines mehr als alles andere: Einen Menschen, der bei ihnen bleibt. Auch wenn’s kracht. Auch wenn alle zugucken. Auch wenn man selbst am liebsten wegrennen möchte. Und vielleicht am wichtigsten: Es ist keine persönliche Katastrophe. Es ist eine Phase. Eine, die nicht leicht ist – aber vorbeigeht. Nicht über Nacht. Aber irgendwann. Denn was Gubacca in all der Zeit am meisten gebraucht hat – war nicht ein besserer Trainingsplan. Sondern: Einen Menschen, der bei ihm bleibt. Auch wenn’s kracht.
Ein herzliches Dankeschön auch hier wieder an León, für die fachliche Unterstützung bei diesem Artikel :-).
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Liebe Grüße
Bine & Gubacca