1100.- 1109. Tag | Den habe ich mir verdient...

Mai 20, 2020

"Du willst die 3,5 Kilometer wirklich mit dem Auto zur Eisdiele fahren?" Mini-Rütter schaute mich amüsiert an. "Wo du doch seit Tagen vor dich hin meckerst, dass jede Jeans kneift. Ich an deiner Stelle würde das Rad nehmen...". Und wahrscheinlich auch keine fünf Eiskugeln essen... vollendete ich für mich im Stillen den Satz. So ganz unrecht hatte Mini-Rütter ja nicht, wie ich mir eingestehen musste. Früher, als ich noch "jung" und "knackig" war, bin ich bis nach Haltern am See für einen Eisbecher geradelt - heute sind mir die knapp vier Kilometer schon zu weit. Aber natürlich muss frau das ja nicht zugeben und so schob ich erst einmal ganz elegant die Schuld auf?! Ja auf wen wohl?! Auf den armen Gubacca natürlich! "Kannst du dir Gubacca bei dem Wetter am Rad laufend vorstellen", feixte ich und wollte zum Autoschlüssel greifen. "Am Rad nicht, aber im Hänger lässt er sich bestimmt gerne durch die Gegend schaukeln und ich mache dir das Rad gerne fertig!" Immer diese Hilfsbereitschaft an den falschen Stellen, seufzte ich innerlich und holte Gubacca's Sportgeschirr.



Wenige Minuten später waren Zwerg-Riese und ich dann auch schon mit dem Gubacca-Taxi auf 2 Rädern unterwegs. Jetzt hatte mich der sportliche Ehrgeiz gepackt und anstatt auf direkten Weg die Eisdiele anzusteuern, wählte ich die Holper-Strecke quer durch die Felder. Schon nach wenigen hundert Metern war nicht nur die Bine schweißgebadet - auch der Spanier machte schlapp und durfte sich "kutschieren" lassen. Innerlich verfluchte ich Mini-Rütter, der mir zu einem langärmeligen T-Shirt geraten hatte. Klar, dachte ich, gefühlte 30 Grad im Schatten (es waren tatsächlich 21 Grad) und ich bin wie eine Polarforscherin gekleidet! Na, vielen Dank Herr Mini-Rütter. Ab Windrad hieß es dann "geteiltes" Leid ist halbes Leid und der "feurige" Spanier musste selber laufen. Jetzt streikte ich. Auf den Sandwegen - ja die gibt es sogar bei uns im Ruhrpott - war es fast unmöglich, Gubacca im Hänger sitzend, zu ziehen. Aber spätestens ab dem kühlen Volkspark mit seinen vielen Bäumen musste ich zugeben - mit dem Rad ist es wirklich viel schöner und mir wurde wieder bewusst wie schön ländlich wir doch auch im Ruhrgebiet leben. 10 Kilometer später saß ich dann auch mit Gubacca auf einer schattigen Parkbank und ließ mir mein dickes Eis so richtig schmecken.



Mit Gubacca kann man  stundenlang auf einer Bank sitzen, einfach nur  die Seele baumeln lassen und die Umgebung beobachten. Das erstaunt mich immer wieder, denn  eigentlich passt das so überhaupt nicht zu ihm.  Sehr lange war es ja ein echtes Problem, dass er ohne lautstarkes Gebell nicht eine Minute warten konnte.  Heute kann er Ewigkeiten unter der Parkbank liegen und rührt sich nicht. Ich muss gerade beim Schreiben an unseren letzten Sommerurlaub in Langholz denken. Gubacca lag dort auch immer die ganze Zeit ruhig neben unserem Strandkorb und war der liebste Begleiter, den man sich vorstellen konnte. Man durfte nur den Fehler nicht machen und ihm am Ende ableinen. Während ich nach einem Strandnachmittag unsere Sachen wieder packte, wollte Mini-Rütter den "ach so Lieben-Gubacca" belohnen und ihn noch einmal im Meer baden lassen. Unsere Gesichter hätten ihr sehen müssen. Mini-Rütter hatte kaum den Karabiner der Leine gelöst, da sorgte Gubacca seiner Meinung nach auch schon für Ordnung auf unserem Strandabschnitt. Die wenige Meter von uns entfernt liegende Frau, die natürlich panische Angst schon vor dem kleinsten Hund hatte, wurde als erstes lautstark angebellt. Dann nahm der selbsternannte Strand-Wächter sich den ständig kläffenden Jack-Russel "zur Brust" um dann als krönenden Abschluss den Versuch zu starten, eine Strandmuschel anzupinkeln. Zum Glück war Mini-Rütter schneller und schaffte es, ihn vorher anzuleinen. Mit hochroten Kopf ging es dann auf direkten Weg nach Hause... Aber, wenn man diese Feinheit beachtet kann man mit Gubacca herrlich stundenlang an einem Ort verweilen.



So gerne ich Gubacca ja lobe, aber ich glaube diese positive Eigenschaft ist nicht nur für ihn typisch, sondern generell für den Gos d' Atura Catala. Vor kurzem habe ich die toll gemachte Reportage "Wölfe und Herdenschutzhunde - Ungleiche Brüder" im Fernsehen gesehen. Dabei wurden auch Maremanno Abruzzese, eine italienische Herdenschutzrasse bei ihrer Arbeit bei den Schafen gezeigt. Und was sah man - auf der Wiese liegende und vermeintlich schlafende Hunde. Die jedoch und genau das erinnerte mich sofort an Gubacca, auf jeden Außenreiz blitzschnell reagierten .



Ehrlich gesagt hatte ich mir die Arbeit eines Herdenschutzhundes, ohne groß darüber nachzudenken, ganz anders vorgestellt. Ich dachte die Hunde wären  ständig in Bewegung, würden die Herde umkreisen, um sie so vor Gefahren zu schützen.  Mit diesen entspannt auf der Seite liegenden Riesen hätte ich nicht gerechnet.  Aber sind die Katalanen anders? Fast jeder Gos-Besitzer hat nicht nur einmal innerlich aufgestöhnt, weil sein "feuriger" Spanier nicht von 0 auf 100 schießt, sondern den Begrenzer mal direkt weglässt und auf 300 in "Null-Komma-Nix" ist. Dumm nur, dass der vermeintliche Angreifer das kreischende Kind vom Nachbar auf seinen Rollerblades war und kein Wolfsrudel, vor dem er uns retten musste.  Genau dieses ruhige Beobachten und Kontrollieren der Umgebung - kombiniert mit einer blitzschnellen Reaktionsgeschwindigkeit steckt für mich im Gos einfach drin.  Für mich unterscheidet er sich darin auch deutlich von anderen Hütehunderassen wie der Border zum Beispiel. 

Wer die Reportage noch nicht gesehen hat - ich kann sie nur wärmstens empfehlen. Ihr findet sie in der Mediathek von ARD (https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/erlebnis-erde/sendung/woelfe-und-herdenschutzhunde-ungleiche-brueder-100.html). Mir ist bei der Reportage auf jeden Fall noch einmal richtig bewusst geworden, wie viele Eigenschaften einfach auch genetisch bei Gubacca vorgegeben sind. Was für mich ein peinliches Verhalten ist - wie das für Ordnung sorgen am Strand - ist für Gubacca einfach die Aufgabe, für die er seit vielen Jahrzehnten auch gezüchtet wurde. Wie soll Gubacca unterscheiden können, ob ein neuer Gegenstand, eine fremde Situation oder ähnliches eine Gefahr ist oder nicht? Ihm bleibt ja nur die Möglichkeit auf Veränderungen zu reagieren. Das wäre auf jeden Fall noch einmal ein eigenen Blogartikel wert. Ich denke gerade Junghundbesitzer raufen sich oft die Haare, weil das "Pubertier" auf jeden Außenreiz mit Bellen reagiert.




Unser Nachmittag verlief jedoch vollkommen entspannt und wir machten uns nach einer Stunde im Park wieder auf den Heimweg. Sehr zum Leidwesen von Gubacca musste er durch die Sandpiste wieder selber laufen. Ab "unserem" Windrad hatte ich dann aber doch Mitleid mit ihm und er durfte sich den Rest der Strecke von mir chauffieren lassen. 






Als ich doch ein wenig geschafft endlich Zuhause ankam, war unsere rote Leine spurlos verschwunden - verloren auf dem Rückweg... Ja ich höre meine Familie schon wieder "typisch Bine" sagen und es war auch der ersten Kommentar vom Herrn Mini-Rütter als ich beim Auspacken des Anhängers ein "Schnüttchen" zog. Insgeheim hatte ich ja gehofft, er würde sich anbieten für mich die Strecke noch einmal abzufahren oder mich zu mindestens zu begleiten. Aber nein - der Liegestuhl war näher wie der Sportsgeist und so machte ich mich alleine wieder auf den Weg, um die Leine zu suchen. Ich muss aber gestehen - mir wäre die Liege auch lieber gewesen und ich wäre auch nicht mitgefahren ;-).




Ja und da lag sie - natürlich fast am Ende der Strecke...Und soll ich euch etwas verraten: Ich habe sie genau dort verloren, wo Bine ja unbedingt ein Angeber-Video machen musste, um allen zu zeigen, wie toll Gubacca ohne Leine neben dem Rad läuft. Wie sagt man so schön "Hochmut kommt vor dem Fall"... Aber nein, es ist keine Angeberei - ich freue mich einfach riesig, dass das so toll klappt. Endlich bin ich über meinen Schatten gesprungen und vertraue Gubacca  und das zahlt sich wirklich aus.



Mit knapp 21 Kilometer auf dem Tacho meines Klapperrads kam ich dann zurück. Wenn ich daran denke, dass ich davon gut 16 Kilometer den Radhänger gezogen habe und das überwiegend mit 24 Kilo in Form von Zwerg-Riese würde ich sagen:

Den Eisbecher hatte ich mir verdient!

Und ausgerechnet derjenige, der gemütlich durch die Gegend geschaukelt wurde, genau der mussten erst einmal ausgiebig Siesta halten ... während für mich die Pflicht rief und ich den Dienstrechner wieder hochfahren musste... 



Zum Schluss noch das Video, dass mir die zusätzlichen fünf Kilometer auf den Tacho brachten:


 

Ich wünsche euch allen einen schönen Feiertag und falls es männliche Leser gibt: 
Lasst euch morgen so richtig verwöhnen - es ist Vater-Tag!

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