Nachgefragt... im Gespräch mit Evelyn Teil 2

August 24, 2018

Sali: Evelyn mich hat dein Bericht von Emil sehr lange beschäftigt, weil er ja kein Hund aus dem ausländischen Tierschutz ist oder in einem Tierheim aufgewachsen ist. Was könnten Gründe dafür gewesen sein, dass es Emil so schwer gefallen ist, seine Grenzen zu akzeptieren?

Evelyn: Emil wurde leider als Freigeist erzogen. Damit meine ich, was Hund nicht wollte, wollte er nicht. Kleines Beispiel: Er frass sehr schlecht, man fütterte ihn eben dann irgendwann abends, so das er in der Nacht fressen konnte. Er bestimmte also, wann es Futter gab und was, denn leider fraß er damals auch sehr wählerisch. Emil konnte mit körpersprachlichen Einschränkungen schwer umgehen. Er ist ein sehr unsicherer Hund, der eigentlich dann durch den Menschen gezeigt bekommen muss, hier geht es lang. Dies verpasste man bei ihm und drängte ihn unbewusst in die Führungsrolle.

Freigeist Emil (c) Evelyn
Sali: Ich denke das ist ein typischer Fehler den viele Hundebesitzer machen - eigentlich möchten sie Bindung aufbauen und vergessen dabei auch Grenzen zu setzen. Gerade der Gos ist ja ein sehr eigenständiger Hütehund. Der  Klassiker "ich bestimme ,wann du auf das Sofa kommst" bedeutet ja nicht Führung zu übernehmen und seinen Gos anzuleiten. Hast du praktische Beispiele in welchen Situationen man schnell den Gos zu sehr agieren lässt?

Evelyn: Also bei uns war es so: Emil wollte anfangs immer zuerst durch die Türe. Haben wir ihn auch mit körpersprachlichen Zeichen daran gehindert, dann wollte er an uns hochspringen und nach uns beissen. Zum Glück trug er damals den Maulkorb, sonst hätte er uns noch mehrmals erwischt. Mich biss er ins Bein, weil ich es ausstreckte und ihm hinderte, als erstes durch die Tür zu rennen. Wir hatten einen Termin, Emil da mit hinzunehmen, unmöglich. Tja, das Endergebnis war dann der Biss in mein Bein. Mittlerweile hat sich das alles gelegt, er hat uns ja bisher nie wieder erwischt. Im Gegenteil, wenn ich mit ihm mal schimpfe und ja auch das gibt es bei einen Rudel, dann signalisiert er mir durch Beschwichtigungssignale, das er Null Stress mit mir möchte.

Den Sofaklassiker finde ich persönlich übertrieben. Man ist nicht Rudelchef, indem man den Hund das untersagt. Bei uns liegen jedenfalls alle Hunde mal mehr oder weniger auf unseren Sofa. Wir praktizieren auch nicht, ich gehe zuerst durch die Türe, dann darfst du erst. Ein Rüde ist eben ein Rüde. Ich habe ja hier beides, Hündin und Rüde und kann sehr gut zwischen beiden unterscheiden. Rüden, egal welchen Alters, testen ihre Menschen ab und an und manchmal merkt man es nicht. Gerade die Jungspunde sind gerne am austesten. Gibt es dann eben feste Regeln, dann knallt es dann bei den ein oder anderen durch.Der Gos in der Pubertät testet sich und seine Grenzen aus.

Ich habe eine Junghundbeurteilung von Emil, in der er mit 2,5 Jahren schon so beschrieben wird: Freundlicher, aufgeweckter Rüde, der ein wenig zum Kontrollieren seines Menschen neigt. Da hätten meiner Meinung nach schon etwas die Alarmglocken angehen müssen, denn der Gos sollte seinen Menschen nicht kontrollieren. Dies Verhalten festigte sich dann noch mehr und Emil wurde ja dann auch mit 5 Jahren abgegeben. Auf seiner Reise zu uns machte er ja noch Zwischenstop in einer Pension, in der Schäferhunde und auch Malinois ausgebildet werden. Also eine Ausbildung mit riesigen Druck, wie zum Beispiel die korrekt ausgeführte Unterordnung. Mit diesen Druck konnte der Freigeist Emil so gar nicht umgehen, und tickte dann vor Ort richtig aus. Er muss dort nur noch um sich gebissen haben und trug oft und viel den Maulkorb damit Mensch vor ihm geschützt war.

Sali: Gubacca wird nächsten Monat 1,5 Jahren und ich hatte gehofft die Pubertät bald geschafft zu haben. Emil war bei der Junghundbewertung wie du schreibst bereits über 2,5 Jahre. Mir fällt auch immer wieder auf, dass gerade in dem Alter viele Gos abgeben werden. Woran könnte das deiner Meinung nach liegen?

Evelyn: Nein, da muss ich dich enttäuschen, mit 1,5 oder 2,5 Jahren ist der Gos mit der Pubertät noch nicht komplett fertig. Meist sind die Hunde so mit 3 Jahren endlich im Kopf reif. Es gibt viele Gos, die nicht nur in diesem relativ jungen Alter abgegeben werden. Emil war 5, Barny war 14 Monate, Winston war damals 7 Jahre alt, Elroy, der Gott sei dank eine 2. Chance in seiner Familie bekommt, ist 5 Jahre. Ich denke, bei einigen wurden Erziehungsfehler gemacht, wie zum Beispiel einfach zu viel zu verlangen wie bei Barny. Oder man hat einen sehr selbstbewussten Brocken erwischt. Manchmal sind es aber auch familiäre Probleme, die zur Abgabe zwingen.

Ich habe hier 2 Varianten Gos: einmal den selbstbewussten( Nicolas) und einmal den der nichts entscheiden will ( Emil und Barny). Nico weiss was er will, er ist jetzt auch in der Pubertät und testet sich und seine Grenzen regelmäßig entweder bei den anderen oder an uns. Wir sind da eisern, ein Nein ist ein Nein, und das akzeptiert Nico, manchmal mit hündischen Diskussionen, die ihm aber nichts bringen.

Emil (c) Evelyn

Sali: Ihr habt dann ja zum Glück für Emil und euch die richtige Trainerin gefunden. Wie sah euer Training mit Emil aus?

Evelyn: Wir haben wirklich lange nach dieser besonderen Trainerin, Frau Kathleen S, gesucht und ich war selbst überrascht, dass sie diese den Gos d' Atura überhaupt kannte. Denn wir erlebten das oft, das wir gefragt wurden, was das für Hunde seien.

Zu aller erst hatten wir eine Theoriestunde bei ihr, in der wir anschauend erklärt bekamen, aufgrund der von uns genanten Unarten von Emil, was da falsch gemacht wurde durch den Menschen. Wir lernten, das Emil eigentlich sehr früh zu uns kommunizierte, wenn Mensch seine Wohlfühlzone überschritt und er dann eigentlich sich dann nur selbst verteidigte. Es gibt im Internet eine gute Anleitung, nennt sich Eskalationsstufe beim Hund und da ist sehr deutlich erklärt, wann der Hund beisst und warum. Anhand dieser Anleitung verstanden wir dann so einiges. Es folgten viele Einzelstunden, in dem wir Emil Gegenkonditionierten. Wir belohnten ihn für positive Annäherung an Menschen, er musste die Körpersprache der fremden Menschen lernen, das jene z.B. nicht bedrohlich sind , sondern freundlich und neutral. Emil konnte immer selbst Distanz suchen und für den Stressabbau suchte er Leckerchen in den Reifen oder er machte einfach Schnüffelspiele.

Das Training schlug auch wider Erwarten schnell bei ihm an und dann erweiterten wir das Ganze, in dem Kathie mit ihm trainierte, natürlich gegen Belohnung, das er die Kommandos Sitz, Platz und Pfötchen ausführte. Etwas später nahmen dann ihm fremde Menschen an dem Training teil und diese riefen dann auch die Kommandos ab und er lernte so den Umgang mit fremden Menschen plus die positive körpersprachliche Belohnung. Auch das klappte relativ gut und schnell, Emil fand  da richtig Spaß dran, mit ihm fremden Leuten zu arbeiten und dafür noch belohnt zu werden. Und irgendwann durfte er dann zum Mantrailing. Erst suchte er nur mich, aber das weiteten wir dann aus und er suchte dann auch mit Begeisterung unsere Trainerin.

Sali: Du schreibst, er hat eine enge Bindung zu euch aufgebaut. Wie habt ihr das erreicht? Wie baue ich Bindung zu einen authentischen und sehr selbstständigen Hütehund auf?

Evelyn: Tja, vorab: Emil ist null selbstständig, er mag es überhaupt nicht, wenn er irgendwas entscheiden soll. Er ist wirklich die Sorte Gos, dem man sagen muss, das darfst du oder du gehst mal jetzt auf deinen Platz und da findet er noch Gefallen dran. Weil er nicht entscheiden muss, sondern er einfach nur nichts entscheiden möchte. Wir haben ja ein Hunderudel und wenn man ein Rudel hat, so gibt es feste ungeschriebene Regeln. So z.B. um auf den Anfang zurückzukommen, es gibt Fütterungszeiten, ich schreibe Zeiten, denn die sind nicht immer um die gleiche Uhrzeit. Und es gibt da nur etwas zu fressen, entweder Hund frisst oder aber er bekommt es weggefressen , weil es ihm nicht schmeckt. Ich kann kein Futter stehenlassen, das wäre eben in einen anderen Hundemagen dann zu Hause. Emil lernte dies schnell, und er frisst jetzt alles, versucht sogar den anderen ab und an das Futter zu klauen.
Wir lieben unsere Hunde, aber wir vergessen nie, das es Hunde sind. Sie sind für uns kein Kinderersatz, denn Kinder und Hunde miteinander zu vergleichen, ist mir persönlich zu unrealistisch. Das wäre wie Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen. Bei uns dürfen unsere Hunde Hund sein. Sie müssen nicht beispielsweise punktgenau vor mir sitzen. Ich finde das nicht schlimm, wenn der Winkel im Sitz zu uns Mensch nicht korrekt ist.

Du fragst mich, wie ich die Bindung zu uns aufgebaut hab. Ganz ehrlich? Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Wir akzepieren uns und wir respektieren uns auch. Wenn ich etwas nicht möchte von unseren Hunden, dann ist es ein NEIN und bleibt ein NEIN. Ich renne nicht hinter meinen Hunden mit einen Leckerchen her, nur weil er gerade beschlossen hat, seine Ohren auf Durchzug zu stellen. Dann gibt es eben nichts. Sonst gäbe es hier ein riesengroßes Chaos.
Der Gos d' Atura ist ein selbstständig arbeitender und ursprünglicher Hund und manchen Leuten fehlt einfach das bestimmte Bauchgefühl für diese besondere Rasse und sind dann leider überfordert. Und dann kommen die Probleme.....

Emil (c) Evelyn

Sali: Ich weiß von dir, dass du auch immer warnst und mahnst den Gos nicht unterzuschätzen. Welche Charaktereigenschaften sollte für dich ein Mensch mitbringen, der sich ein Gos anschaffen möchte?

Evelyn: Tja, wie sollte der Mensch sein? Er sollte sich nicht um den Finger wickeln lassen. Man sollte einfach sich im Vorfeld gründlich über die Rasse informieren, auch sollte man sich auch mit den negativen Eigenschaften beschäftigen. Der Gos ist ein Arbeitshund, ohne Zweifel, aber viele Leute machen den Fehler, und kopieren ihr Leben und ihre Vorstellungen auf den Gos. Dabei braucht diese Rasse nicht immer Action. Eher das Gegenteil, mehr Ruhe, damit der Hund ausgeglichen wird. Bei uns gibt es faule Tage, d.h. es passiert bei uns nichts. Der Schäfer läuft auch nicht das ganze Jahr mit seiner Herde in der Gegend rum, bei ihm gibt es auch oft und im Winter nicht viel zu tun.

Das sollte man nicht vergessen und man sollte sich bewusst sein, das diese Rasse eben weiss was sie will. Wenn man etwas einfaches sucht, dann ist der Gos nicht die richtige Wahl. Menschen die gerne den einfachen Weg gehen, nichts entscheiden möchten sind mit der Rasse nicht gut aufgehoben. Denn dann schiebt man den Hund unbewusst diese Rolle zu.

Sali: Danke Evelyn! Ich freue mich schon sehr darauf auch deine anderen Hunde demnächst hier kennenzulernen!

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