Nachgefragt | Wenn ein zweiter Hund einzieht: Alegra & Amigo

März 08, 2020

Auch wenn ein zweiter Hund bei uns (noch) kein Thema ist, finde ich es immer spannend zu erfahren, wie es anderen am Anfang ergangen ist. Gerade durch die große Vernetzung im Internet mit "Facebook und Co." bekommt man oft ja schon die ersten Überlegungen "soll ich oder nicht" mit. Decken sich die Erfahrungen mit den Erwartungen? Wie verändert sich der gewohnte Alltag, wenn man zwei Hunde hat? Fragen über Fragen und ich freue mich riesig, dass Christine sich die Zeit genommen hat und einen Blogartikel zu dem Thema geschrieben hat.

Wenn ein zweiter Hund einzieht: Alegra & Amigo

 - Ein Erfahrungsbericht von Christine Schuster -

Sabine hat mich gebeten meine Erfahrung mit einem zweiten Hund zu schildern. Wir haben fast eineinhalb Jahre überlegt, ob wir uns einen zweiten Serra anschaffen sollen. Vorab habe ich mich bei mehreren Hundehaltern persönlich informiert, um einen Einblick zu bekommen, was mich mit einem zweiten Hund erwartet. Alegra ist eine Hündin, die sehr verspielt ist und keine Probleme mit anderen Hunden hat. Sie ist sehr lernwillig, allerdings aber auch sehr hibbelig und stressanfällig.



Immer wieder spielte ich mit dem Gedanken mit Alegra zu züchten und dann einen Welpen von ihr zu behalten. Ihre Zuchtzulassung hat sie ohne Probleme gemeistert. Wer sich mit der Rasse Cao da Serra de Aires auskennt, weiß, dass es nicht einfach ist, einen potentiellen gesunden Rüden zu finden. Aus diesem Grund haben wir uns gegen die Zucht entschieden. Wir beschlossen, wenn ein Zweithund ins Haus kommen sollte, dann wollten wir einem Hund aus dem Tierschutz ein gutes Zuhause geben. Wir fanden sehr schnell einen Serra-Mix aus Portugal. Nach der Vorkontrolle wurde uns der Hund reserviert. Als er dann jedoch nach Deutschland kam, war er sehr krank und die Vermittlung war nicht möglich. Die Enttäuschung war sehr groß. Doch nach einiger Zeit hatte ich mich damit abgefunden, dass es vielleicht doch besser ist, wenn Alegra ein Einzelhund bleibt.



Einige Wochen später sah ich  in Facebook, dass ein Rüde aus einer portugiesischen Zucht noch zu vergeben war. Zunächst verwarf ich den Gedanken, denn wie sollte ich nach Portugal kommen. Aber das Foto lies mich nicht los und der Wunsch mit Alegra zu züchten war wieder da. Ich nahm dann doch Kontakt zu der Züchterin auf und dann ging alles ganz schnell. Amigo zog im August 2018 bei uns ein. Am Anfang war er sehr zurückhaltend und Alegra animierte ihn viel zum Spielen. Er kannte das jedoch scheinbar überhaupt nicht und legte sich lieber in ihre Nähe. Das wollte sie wiederum nicht und verscheuchte ihn jedesmal sofort. Auch in der Hundeschule war er eher sehr zurückhaltend. Er schaute sich das Ganze lieber vom Rand aus an, als mittendrin dabei zu sein. Nach einigen Wochen taute er dann jedoch langsam auf. Das fand Alegra dann nicht mehr so toll und versuchte ihn zu erziehen. Plötzlich wurden Ressourcen verteidigt, was bis dahin kein Thema war. Wenn wir mit Amigo spielten drängte sie sich dazwischen, nahm das Spielzeug weg und rannte davon. Also konnten wir nur mit ihm spielen, wenn wir mit ihm alleine waren. Auch wenn Alegra aus unserer Sicht, nicht lieb mit ihm umging, suchte er trotzdem immer ihre Nähe. Alegra wurde außerdem  extrem futterneidisch. Wir waren gezwungen  Management zu betreiben und beide in verschiedenen Zimmern füttern. Inzwischen hat sich dieses Problem  durch viel üben erledigt und sie werden wieder  in einem Raum gefüttert. Allerdings läßt es sich Alegra nicht nehmen, seinen Napf am Schluss zu kontrollieren, ob er auch wirklich leer ist. 



Die gemeinsamen Gassirunden waren am Anfang sehr entspannt. Amigo hat sich das erste halbe Jahr an mir und nicht an Alegra orientiert. Doch leider wandelte das sich schlagartig nach einem schlimmen Erlebnis als er ungefähr ein Jahr alt war. Auf unserer Gassi-Runde hatte ich beide an der Leine als drei Hunde bellend auf uns zugerannt kamen. Ich wollte meinen beiden die Chance geben sich zu verteidigen, bzw. die angespannte Situation zu entschärften und leinte beide ab. Ein Fehler aus meiner heutigen Sicht, der mich das Vertrauen der beiden gekostet hat. Zwei  der Hunde jagten Amigo und Alegra blieb wie angewurzelt stehen und sah mich an. Ich war wahnsinnig wütend und kannte die Besitzer der Hunde. Amigo war zwei Stunden weg. Später erführ ich, dass er durch das ganz Dorf gejagt und fast von einem Auto überfahren wurde. Die Autofahrerin hielt dann sofort an und alarmierte die Feuerwehr. Als man ihn dann völlig entkräftet vor der Apotheke fand, brachte man ihn in die Tierklinik. Dank Tasso konnte ich telefonisch informiert werden und  ihn dort abholen. Zum Glück hatte er keine erkennbaren Verletzungen. Allerdings war danach nichts mehr wie es vorher war. Sobald er jetzt Hunde sieht, werden sie von ihm verbellt und Alegra verfällt sofort in höchste Alarmbereitschaft. Entspannte Hundebegegnungen haben wir seit dem schlimmen Vorfall nicht mehr.



Aber wir arbeiten dran und wenn ich mit Alegra oder Amigo einzeln gehe, funktioniert es inzwischen schon wieder ganz gut. Aber mit beiden zusammen ist es echt noch schwierig. Laut unserer Trainerin hat Alegra es sich zur Aufgabe gemacht Amigo zu hüten. Nun arbeite ich daran, dass beide wieder zu mir Vertrauen haben, damit wir wieder entspannt Hundebegegnungen meistern können. Unser BAT Training hilft uns dabei sehr. Außerdem unterstützt mich mein Mann tatkräftig, da er schon zu Hause ist und ich noch arbeiten gehe. Allerdings sieht er die ganze Problematik (meine Sichtweise) nicht so kritisch wie ich und ist  deutlich entspannter. Ohne ihn wäre ein Zweithund für mich auch  nicht realisierbar gewesen.

Leider ist Amigo für die Zucht nicht tauglich. Er hat schwere HD auf beiden Seiten und das erklärte auch so manches Verhalten von ihm. Trotzdem möchten wir ihn nicht mehr missen. Er hat dazu beigetragen, dass Alegra ruhiger geworden ist. Wenn sie wieder sehr hibbelig ist, nervt ihn das und das gibt er ihr klar zu erkennen. Manchmal klappert es dann, oder sie kommt wieder runter.


Ich empfinde es als sehr wichtig mit jedem auch einzeln zu trainieren, damit jeder auch mal meine Aufmerksamkeit für sich alleine hat. Aber auch das  gemeinsame Training ist sehr wertvoll. So lernen die beiden auch zu warten und nur zu beobachten. Inzwischen funktioniert das auch sehr gut. Es zeigt sich jedoch auch immer stärker, dass Alegra andere Bedürfnisse wie Amigo hat. Amigo hat derzeit einen ausgeprägten Jagdinstinkt und ist bei geringsten Wild- oder Katzengeruch nicht mehr ansprechbar.  Ich hoffe sehr, dass wir das durch gezieltes Training noch gut umlenken können. Mantrailing macht er gerne und sehr zielgerichtet.

Wir möchten keinen von den beiden missen. Es ist einfach schön, wenn sie zum Kuscheln kommen oder ihr Kinn auf den Oberschenkel legen und uns mit ihren Augen anschauen. Mein Mann und ich schmelzen dann jedesmal nur so  dahin und unser Herz geht auf. Da wir ja Hündin und Rüden haben, die beide derzeit noch intakt sind, werden wir uns irgendwann entscheiden, einen kastrieren zu lassen.


So sehr wir unsere beiden lieben - ich bin mir manchmal nicht sicher, ob Alegra nicht lieber ein Einzelhund und damit  auch die Prinzessin bei uns geblieben wäre. Oder vielleicht hätten wir sie vorher fragen sollen oder mit entscheiden lassen?

Was man bei den süßen Fotos die von Mehrhundhaltern oft gepostet werden, nicht vergessen sollte, ist der Zeitfaktor. Wenn ein Welpe ins Haus kommt, braucht man einfach mehr Zeit, um ihn zu einem guten Partner zu erziehen. Ich habe mich manchmal dabei ertappt, dass ich von Amigo zu viel für sein Alter verlangt habe und manche Dinge einfach bei ihm vorausgesetzt habe. Zum Glück hat er mir das sehr schnell deutlich gemacht und sein Tempo eingefordert. Ansonsten hat er dann nur Blödsinn gemacht. Schuhe und Wandecken angeknabbert, frisch gewaschene Wäsche aus dem Wäschekorb gezogen usw.  Man beginnt wie bei Kindern wieder von vorne. Aber er hat sich auch viel von Alegra abgeschaut. Auch wenn man in die Hundeschule geht, oder Hundesport ( Agility, Mantrailing, Clickertraining usw.) betreibt kostet es immer auch die doppelte Zeit.


Außerdem muss man auch den Kostenfaktor berücksichtigen. Wenn man nicht ausschließlich alleine trainiert, sondern auch mit beiden Hunden zur Hundeschule oder zum Hundesport geht, kostet es doppelt. Auch Futter, Versicherung, Tierarzt, Hundebox... muss man immer doppelt einkalkulieren. Diese Kosten hatten wir im Vorfeld alle mit einberechnet. Woran wir allerdings nicht gedacht haben: Was passiert, wenn der Hund ernsthaft erkrankt und die Tierarztkosten sehr  extrem in die Höhe steigen. Die HD-Erkrankung von Amigo und die notwendige OP und Behandlung hatte uns vor eine riesige Herausforderung gestellt. Aber Amigo mit Schmerzen rumlaufen zu lassen war keine Option für uns. Zum Glück hat Amigo  alles gut überstanden und ist wieder Beschwerdefrei.





Jetzt freuen wir uns auf weitere schöne Jahre mit Alegra und Amigo!


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Danke Christine für deinen tollen und offenen Erfahrungsbericht!

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2 Kommentare

  1. Ich gebe zu, auch für mich sind solche Berichte immer wieder spannend und interesant zu lesen - auch wenn wir ja schon sehr viele jahre immer mit zwei Hunden leben ;) Aber auch wir haben bei den so unterschiedlichen Paaren bei uns immer wieder festegestellt, dass es immer wieder anders ist und es nie "die Mehrhundehaltung" gibt. Dingo und Lady, Damon und Lady, Damon und Laika, Damon und Cara, Cara und Sahdow ... jedes Duo war anders und hat sich auch untereinander ganz unterschiedlich verhalten. Gerade jetzt ist mir das wieder sehr detulich geworden. Vieles von dem was Cara sich von Damon "abgeschaut" hat ist mittlerweile weg - weil sie sich anderes von Shadow abschaut. Aber auch er lernt von ihr - leider nicht immer das, was mir gut passen würde ;)
    Von daher ist es eigetnlich völlig egal, mit wie vielen Mehrhundehaltern man vorher spricht und ob man schon lange Zeit den Hund von Freunden gehütet hat. Wie es wird merkt man erst, wenn der Zweithund da ist :)

    Liebe Grüße,
    Isabella mit Cara und Shadow

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  2. Ich finde die Berichte auch immer wieder spannend. Wir haben ja zwei Hunde und hatten auch früher schon mehrere Hunde und Einzelhunde. Allgemein kann ich für mich sagen, dass zwei Hunde zwar mehr Arbeit machen, aber die Hunde irgendwie "artgerechter" leben. Auch wenn jede Konstellation ganz eigen ist. So wie eben unsere Hunde individuell sind.
    Liebe Grüße
    Auenländerin

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Liebe Grüße
Bine & Gubacca