Es ist lange her, dass hier auf dem Blog etwas über Lottchen zu lesen war. Und das hat – leider – keine schönen Gründe. Lotta hat das Cushing-Syndrom. Eine hormonelle Erkrankung, bei der der Körper dauerhaft zu viel Cortisol produziert. Man erkennt es oft erst spät – die Symptome schleichen sich ein: Hautprobleme, Fellverlust, veränderter Appetit, Magen-Darm-Probleme, Muskelschwäche. Nicht jeder Hund zeigt alles, und manches kommt erst mit der Zeit.
Lotta hat viele dieser typischen Symptome. Sie hat oft Durchfall und ihre Leberwerte sind nicht gut. Sie frisst noch mäkeliger als früher – und das will wirklich was heißen. Seit über einem Jahr leben meine Eltern jetzt mit dieser Diagnose. Die Tierarztbesuche sind häufiger geworden. Die Sorgen auch. Aber meine Eltern und Lotta – sie machen das zusammen. Man könnte sagen: Es ist kein „es wird wieder“, sondern ein „wir machen weiter“.
Früher thronte unser Lottchen auf dem Sofarücken wie eine lebendige Alarmanlage – mit festem Blick auf die Dohlen auf dem Balkon. Wer dort saß, musste mit Gegenwind rechnen. Heute sieht das anders aus. Lotta kommt nicht mehr allein aufs Sofa. Und sie hört nur noch wenig.. Und sie trägt draußen ein pinkes Shirt mit silberner Krone – nicht aus Stilgründen (auch wenn ihr das keiner absprechen würde), sondern weil sie fast ihr ganzes Fell verloren hat. Früher hätte mein Vater sich geweigert, so mit ihr spazieren zu gehen. Heute ist er einfach froh, dass es ihr hilft. Ohne diesen Schutz würde ihre trockene Haut einen Sonnenbrand bekommen.
Aber – und das ist das, was mich immer wieder rührt – Lotta ist immer noch einfach Lottchen mit all ihren liebenswerten Facetten. Nicht mehr wie früher. Aber ganz klar sie selbst. Sie nimmt vieles einfach hin, ohne großes Aufhebens. Und bringt uns dabei öfter zum Schmunzeln, als man erwarten würde. Wenn wir am Tisch Karten spielen, liegt sie laut schnarchend unter dem Stuhl meines Vaters, zum Beispiel. Oder wenn sie bei uns im Garten ist, wälzt sie sich mit so sichtbarer Lebensfreude auf dem Rasen, dass selbst Gubacca ein paar Schritte zurücktritt und ihr das Terrain überlässt.
Nur das Thema Futter – das ist ein Kapitel für sich. Meine Mutter macht sich jeden Tag Gedanken, wie man ihr das Fressen irgendwie wieder schmackhaft machen könnte. Mal links vom Napf, mal rechts, mal mit Löffel, mal ohne. Man lässt halt nichts unversucht. Mittlerweile hat sie gefühlt das halbe Premiumsortiment der Geschäfte durchprobiert. Alles wird liebevoll verfeinert – mit Hühnchen, Käsewürfelchen, Tatarbällchen. Ohne Sahnehäubchen geht nichts. Viel zu oft bleibt aber auch das unangetastet stehen. Auch bei den Tabletten hört der Spaß für Lottchen auf. Sie spürt jede Tarnung. Gestern ging es mit Leberwurst – heute wird sie demonstrativ ausgespuckt. Dabei ist gerade die genaue Tabletteneinnahme bei dieser Krankheit enorm wichtig.
Die Nächte sind für meine Eltern anstrengend. Lotta muss oft raus, manchmal mehrfach. Meine Eltern stehen auf. Ohne Klagen. Es ist halt so, sagt mein Vater mit seiner stoischen Gelassenheit, die Dinge anzunehmen wie sie sind. Ich bewundere ihn dafür – mir fällt diese Gelassenheit deutlich schwerer.. Was nach wie vor ein festes Ritual ist: Die Mittagsrunde durch den Wald mit meinem Vater – langsamer, mit mehr Pausen, aber sie ist gerne mit ihm unterwegs.
Ich hab jedes Mal gemischte Gefühle, wenn ich sie sehe. Einerseits traurig – wenn man merkt, wie dünn und staksig sie geworden ist. Oder mitzubekommen, wie schwer es ihr manchmal fällt, überhaupt etwas zu fressen. Andererseits dankbar – weil sie noch da ist. Mit ihrer kleinen Terrier-Sturheit. Und dann gibt’s da diese herrlich skurrilen Momente. Wenn mein Vater (einst erklärter Gegner von Hundemode) mit ihr im pinken Glitzerhemd spazieren geht oder meine Mutter den Napf zum zwölften Mal umstellt, weil er „vielleicht dort besser schmeckt“. Ich muss schmunzeln, wenn sie noch immer alle sechs Wochen zum Hundefriseur fahren. Für drei Härchen. Aber manche Rituale hält man nicht aus Vernunft, sondern aus Liebe aufrecht. Cushing verändert viel. Man kann es nicht heilen, nur begleiten. Und irgendwann verschiebt sich der Blick: Man sucht nicht mehr nach der einen Tablette, die alles wieder gut macht. Sondern freut sich über jedes „gute“ Heute.
Lotta ist alt geworden. Nicht still und leise, sondern mit Krone, klarer Meinung und sehr speziellen Fressgewohnheiten. Ein Seniorenhund im Seniorenhaushalt – so hatten wir uns das vorgestellt. Nur eben ohne Cushing. Aber wie heißt es so schön: Das Leben ist kein Wunschkonzert. Und solange sie marschiert – mit wedelndem Krönchen – ist alles gut.. Nicht perfekt. Aber sehr, sehr unser Lottchen.