1949. Tag | Dein Raum, mein Raum, unser Raum?

September 06, 2022

Meteorologischer Herbstanfang hin oder her - der Sommer 2022 hat uns weiter fest im Griff. Kein Regen - Temperaturen über 30 Grad, da machen momentan nicht nur unsere Blumen im Garten schlapp. Auch bei mir sinkt die Lust auf eine Radtour oder sonstige sportliche Aktivitäten rapide und ich mache es mir  lieber mit einem Buch auf meiner Gartenliege gemütlich. Momentan lese ich "Raumdenken in der Erziehung - Erziehungshilfe über Raumvorgaben" von Ursula Löchenhoff*.  In dem Buch wird ein "Raumkonzept" der Autorin vorgestellt, das ein  Wechselspiel von "Freiheit geben" und "Grenzen setzen" sein soll. Die Beschreibung auf dem Buchrücken hörte sich interessant an, auch wenn ich mittlerweile nicht mehr der große Fan von neuen Erziehungsmethoden bei Gubacca bin. Wir haben unseren gemeinsamen Weg gefunden und ich habe gelernt mehr auf mein eigenes Bauchgefühl zu vertrauen. Und trotzdem hat es das Buch geschafft, mich nach wenigen Seiten in seinen Bann zu ziehen. Das Thema "Raumdenken" ist doch vielseitiger, als ich dachte. Habt ihr euch schon  damit beschäftigt, wie präsent ihr in eurem Alltag auftretet?  Nehmt ihr für euch Raum ein oder seid ihr eher der Typ, der sich lieber im Hintergrund hält? Es ist spannend sich damit auseinanderzusetzen und die Tipps der Autorin,  wie man selber mehr Präsenz bekommt, sind nicht nur im Zusammenleben mit unseren Hunden hilfreich.
 

 
Das Konzept "Raumdenken" beschäftigt sich aber auch viel mit dem Verhalten der Hunde untereinander. Die Autorin hat für jedes Thema Praxisbeispiele aus dem Alltag mit ihrem Hunderudel, zieht aber auch oft Vergleiche zu unseren eigenen Verhaltensweisen. Wie immer merkt man schnell, dass Hunde gar nicht groß anders reagieren, als wir. Sie nutzen nur andere Kommunikationsmöglichkeiten und die sind uns oft unangenehm. Meine "Lieblingsbaustelle" sind ja bekanntlich  die Hundebegegnungen. Natürlich wünsche ich mir ein gechillten Gubacca, der es mühelos akzeptiert, dass der unkastrierte Rüde ihn nicht nur fixiert, sondern dank dessen umsichtigen "Herrchen" oder "Frauchen" fast in uns hinein rennt. Macht Gubacca natürlich nicht, sondern  er fordert lautstark seinen Raum für sich ein. Die Bine bekommt prompt einen hochroten Kopf und findet es mehr als  peinlich. Aber verhalten wir uns wirklich anders? Seit Corona bemerke ich auch bei mir, dass ich mich sehr unwohl fühle, wenn fremde Menschen keinen Abstand halten. Normalerweise behalte ich dann die "Contenance" und bleibe höflich... Aber ich kann auch ganz schön zickig werden, wenn mir jemand an einer Einkaufskasse schon fast in den Nacken pustet... Ich denke seit der Corona-Pandemie können wir den Wunsch unserer Hunde nach Abstand zu einander noch besser nachvollziehen.  Es gibt einige Beispiele dazu in dem Buch, wie wir das Verhalten unserer Hunde besser verstehen können und ich sehe so manches bei Gubacca jetzt auch mit anderen Augen. Aber natürlich hat auch diese Sache einen Haken - Verhalten verstehen ist das eine - aber erlauben oder dulden ist das andere. Es wäre ja auch zu einfach gewesen, Gubacca künftig einfach pöbeln zu lassen, damit er den vermeintlichen Feind auf Abstand hält. Aber auch hier ist (leider) wieder der 2-Beinige Konfliktmanager gefragt und es ist unser Job den  Abstand für unseren Hund einzufordern.  
 



Klasse fand ich auch den Abschnitt  "Körperliche und Stimmliche Ausdrucksmittel" im Buch. Hört sich abstrakt und schon fast ein bisschen hochtrabend an, aber ist wirklich interessant zu lesen. Ich fand es erstaunlich wie viel wir tatsächlich nur mit unseren Armen und Beinen ausdrücken können und merke immer wieder, dass ich in dieser Hinsicht ein echter "Bewegungslegastheniker" bin. Aber zum Glück habe ich ja einen schlauen Gubacca, der meine Körpersprache trotzdem perfekt lesen kann - leider auch meine kleinen Geheimnisse und Unsicherheiten.

Natürlich hat auch Ursula Löckenhoff mit ihrem Konzept "Raumdenken" das "Rad nicht neu erfunden". Einiges kannte ich auch schon aus anderen Büchern, wie zum Beispiel den Grundsatz "Wer bewegt wen?" und auch alte Erziehungsmythen finden sich sogar wieder. Viele von uns haben den Grundsatz "der Hund darf nicht im Weg liegen"  ja schon mit einem Grinsen "ad acta" gelegt. Aber siehe da - so falsch ist der Ratschlag überhaupt nicht, wenn man die Begründung dazu liest. Denn so ganz ohne Grund liegen unsere lieben Hunde nicht im Weg... Mir fällt dazu ein Beispiel von meinem Tibet Terrier Chiru ein. Wir waren bei Freunden zu Besuch, die auch zwei Hunde hatten. Während wir gemütlich auf der Terrasse saßen, machte es sich Chiru direkt vor der Tür  gemütlich. Und was passierte? Die Gastgeberhunde saßen jammernd im Wohnzimmer und trauten sich nicht rauskommen... Raum ist also tatsächlich auch ein Machtmittel für unsere Hunde. Aber auch wir können "Raumansprüche" gut  im Umgang mit unseren Hunden nutzen. Bei Gubacca habe ich zum Beispiel festgestellt, dass es viel effektiver ist, mich einfach auf die "Pinkelstelle" zu stellen, anstatt ihn mit der Leine wegzuziehen, wenn er beim Schnüffeln wieder mal keine Ende findet. Das Thema "Raumdenken" ist so  facettenreich und findet sich in so vielen Bereichen wieder - das war mir bisher in dieser Form überhaupt nicht bewusst.  Mir hat das Buch auf jeden Fall sehr gut gefallen und ich werde noch öfters darin lesen.


Zum Schluss noch eine kleine Anekdote aus dem typischen Alltag mit Hund. In ihrem Buch schilderte Ursula Löckenhoff auch, dass viele Hunde  die aufgestellten Regeln gerne regelmäßig hinterfragen. Ein Verhalten, dass mir so gar nicht liegt, da ich zu den Menschen gehöre, die gerne einen Haken hinter eine Aufgabe machen. Gubaccas Rückruf ist hierfür ein tolles Beispiel. Mein kleiner Freigeist hatte es irgendwann  tatsächlich verinnerlicht, dass es besser ist, schon beim ersten "Gubacca zu mir", zu reagieren. Und was hat das bei mir ausgelöst? Ich rufe und achte überhaupt nicht mehr darauf, ob der Herr auch tatsächlich sofort kommt.  Automatisiertes Verhalten nennt man das wohl und das "Gubacca zu mir" wurde sogar zu einem wunderbaren Allrounder. Eine "Bitte" für jede Lebenslage sozusagen, die häufig auch einfach bedeutet, dass er anstatt gefühlte 10 Stunden an einem Grashalm zu schnüffeln, wieder zu mir aufschließen soll. Natürlich laufe ich dabei einfach weiter in der Gewissheit, dass mein "kleiner" Katalane natürlich auch meinen Wunsch umsetzt. Wenn da nicht die kleine "Petze", in Form meiner Freundin Claudi gewesen wäre.  Claudi wies mich nämlich bei unserem letzten Spaziergang mehrmals dezent darauf hin, dass Gubacca, obwohl ich ihn gerufen hatte, immer noch 50 Meter hinter uns wie festgenagelt, den Busch beschnüffelte. Ausnahme oder Regel? Der Sache musste ich natürlich auf den Grund gehen. Und was musste ich feststellen?! Gubacca wandelt sehr häufig  mein "pronto" für sich in ein "ich muss aber vorher noch" um! Insgesamt sind das alles keine Katastrophen und der Freigeist kann immer noch überall problemlos abgeleint werden. Aber es zeigt auch, dass gelerntes nicht automatisch immer abgespult wird und wir doch wieder ein bisschen Fleinschliff benötigen. Und so vertiefe ich mich dann doch noch mal ein bisschen in das Buch und wünsche euch einen schönen Abend.

*Das Buch "Raumdenken in der Hundeerziehung" wurde mir von dem Kosmos-Verlag kostenlos als Rezzesionsexemplar zur Verfügung gestellt - danke!

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