1239. - 1247. Tag | Trauern Hunde so wie wir?

Oktober 06, 2020

Trauern Hunde genauso wie wir? Ich denke auf diese Frage wird es keine eindeutige Antwort geben und auch Hunde reagieren, genau wie wir Menschen, unterschiedlich. Bestimmt haben sie einen natürlicheren Umgang mit dem Tod. Eine der vielen beneidenswerten Eigenschaften von ihnen ist es ja, im "hier und jetzt" zu leben. Und trotzdem sehe ich bei unserem Lottchen, dass auch Hunde über einen langen Zeitraum, ähnlich wie wir Menschen, "Trauer" empfinden können.


Chiru ist jetzt über vier Jahre tot und trotzdem rennt Lottchen auch heute noch bei jedem Besuch erst einmal durch das komplette Haus und sucht ihn. Gubacca wird an der Haustür freudig begrüßt und dann geht es im Eiltempo hoch die Treppen, so schnell die kleinen Beinchen die vielen hohen Stufen schaffen. Gründlich wird dann jeder Raum abgesucht - auch die Stellen wo lange schon kein Körbchen mehr steht. Wäre sie ein Mensch, würde ich sagen, dass sie danach mit hängenden Schultern wieder die Treppe herunterkommt. Wieder kein Chiru da... Meistens springt sie dann auf meinen Ohrensessel und rollt sich dort mit einem lauten Seufzer ein. Diesen Augenblick der Traurigkeit braucht Lotta dann einfach für sich. Die ersten Monate war das echt schlimm für uns beide. Lottchen verstand die Welt nicht - irgendwo muss doch der große Bruder sein und mir schoßen sofort die Tränen in die Augen.

Ich hatte gehofft, dass sich Lottas Traurigkeit mit Gubaccas Einzug legen würde. So nach dem Motto, jetzt ist ja wieder ein Spielkamerad da. Ja, sie freut sich auch über Gubacca und ist gerne mit ihm zusammen. Aber ich habe trotzdem die tiefen Gefühle unterschätzt, zu denen auch unsere Hunde in der Lage sind und die Freundschaft zwischen Lottchen und Chiru war etwas ganz besonderes.

 

 
 
Chiru war acht Jahre alt, als Lottchen bei meinen Eltern einzog. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich davon überzeugt, dass er der geborene Einzelhund ist. Chiru war sehr auf mich fixiert und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er freiwillig meine Liebe mit jemanden teilen würde. Und dann kam dieses kleine Fellbündel und ich erlebte eine vollkommen andere Seite an ihm. Chiru liebte die Rolle als großer Bruder und Lottchen wurde seine ständige Begleiterin. Für sie war alles "Gesetz" was er "sagte". Wir haben die beiden nie zusammen in ein Körbchen liegen sehen, aber Chiru war immer zu Stelle, wenn Lottchen ihn brauchte. 
 
Ein besonders schönes Erlebnis hatte ich mit den beiden, bei einem Spaziergang mit Claudia und Raja. Lottchen ohne Leine laufen zu lassen, war von Anfang kein Problem, da sie sich vollkommen an Chiru orientierte. Wir waren mit den dreien auf der Halde Hoheward unterwegs und Raja und Chiru jagten sich gegenseitig einen steilen Hang hoch.  Wie im wahren Leben wollte die kleine Schwester natürlich dem großen Bruder am Rockzipfel kleben und flitzte flink wie ein kleiner Karnickel den großen hinterher. Immer höher... immer steiler... entfernten sich die drei von uns. Irgendwann wurde mir die Distanz dann aber doch zu groß zu uns und ich rief sie zurück. Raja und Chiru hörten auch sofort und rannten den steilen Hang wieder zu uns herunter. 
  

 
 
Nur Lottchen stand  oben, weit entfernt von uns und traute sich nicht mehr zurück. Anstatt zurück zu laufen  oder stehen zu bleiben, geriet sie in Panik und rannte  immer weiter nach oben. Ich muss zugeben, in diesem Moment fing mein Herz an zu rasen und trotzdem war  ich wie gelähmt. Was sollte ich nur machen? In dem Moment rannte Chiru los und war kurze Zeit später oben bei Lottchen angelangt. Ich traute fast meinen Augen nicht, anstatt den Hang wieder runterzulaufen, führte er den kleinen Angsthasen über den langen Fußweg den Berg wieder herunter. Ein paar Minuten später waren die  beiden wieder gesund und munter bei uns. Ich sehe Lottchen und Chiru heute noch genau vor mir, wie sie da zusammen neben mir standen. Es war einfach einer dieser magischen Momente, die man sein ganzes Leben nie wieder vergisst. Es gibt auch bei Hunden besondere Beziehungen, die weit über eine normale Freundschaft hinausgehen. Und ja, bei solch einer engen Verbundenheit trauert auch ein  kleiner Hund lange Zeit, vielleicht sogar ein ganz Leben lang, um  den Freund und  vermisst ihn. 
 


Zum Glück haben wir unseren "kleinen" Clown und Seelentröster Gubacca. Er spürt genau, wann er seine "große" Schwester wieder aufmuntern muss und schleppt dann den riesigen Knut ins Körbchen. Beim ersten Mal habe ich darüber noch mit dem Kopf geschüttelt... wieder habe ich einen meiner Hunde unterschätzt. Lottchen liebt es, sich dann einfach an den großen Plüschhund zu kuscheln und genau das hat Gubacca gespürt...




 


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4 Kommentare

  1. Bei der Geschichte mit dem Berg, kamen mir fast die Tränen. Sie können so toll sein.
    Und ja, Tiere können trauern. Pina hat auch sehr lange um unsere Memory getrauert und war sogar bereit die Herdenführung an Parcival abzugeben und hat sich selbst irgendwie aufgegeben. Erst das kleine Wildpferd Nelly hat ihre Lebensgeister wieder geweckt und so eine kleine freche Stute als Chefin vor die Nase gesetzt zu bekommen, hat sie dann doch wieder an ihre alte Position erinnert. Aber noch heute sehe ich sie dastehen und auf die kleine Harlekin-Weide schauen, unter der Memory beerdigt ist. Sie hat das mitbekommen und scheint zu wissen, dass sie dort ist, denn sie starrt ganz häufig lange auf diese Stelle und wirkt dann sehr in sich gekehrt. Es ist nicht das typische Gegend scannen, wenn sie Wachdienst hat.
    Mir verursacht dieser Anblick bis heute oft ein Kloß im Hals. Denn mir geht es ja wie Pina. Über Memorys Tod bin ich auch nicht wirklich weg.
    Liebe Grüße
    Auenländerin

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    1. Liebe Auenländerin, jetzt habe ich Tränen in den Augen. Ich kann mir Pina so gut vorstellen und auch wie du dich dabei fühlst. Ich glaube über einen Tod kommt man nie wirklich hinweg. Auch ich vermisse Chiru immer noch sehr. Danke,dass du über Pina und Memory hier geschrieben hast!
      Liebe Grüße
      Bine & Gubacca

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  2. Das ist ein schwieriges Thema - und Deine Beschreibung von Lotte, die Chiru immer noch im ganzen Haus sucht ist mir sehr nahe gegangen.
    Bei unseren Hunden war das sehr verschieden - wobei ich auch glaube, es macht einen großen Unterschied, ob der andere Hund beim Abschied dabei ist oder nicht. Bei uns waren die Hunde immer zusammen, bis zum letzten AAtemnzug und auch danach konnten sie sich auf ihre Weise verabschieden. Dadurch (glaube ich) gab es bei uns nicht das Suchen nach dem Anderen.
    Ich glaube aber auch, dass jeder Hund nach dem Verlust seines Partners getrauert hat - eben auf unterschiedliche Weise.

    Liebe Grüße,
    Isabella mit Cara und Shadow

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    1. Auch wenn ich immer trödelig bin mit dem Antworten - über deinen Kommentar habe ich noch lange nachgedacht. Ja es stimmt, für Lottchen war es so, dass Chiru einfach weg war und sie so auch gar nicht die Möglichkeit hatte, sich zu verabschieden. Uns Menschen geht das auch ja nicht anders. Das hat es ihr vielleicht wirklich schwerer gemacht.
      LIebe Grüße Bine

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Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Wir freuen uns immer riesig über Rückmeldungen.
Liebe Grüße
Bine & Gubacca