Welpenspielstunde, Junghunderziehung, Erziehungskurse für das Pubertier... Einmal "eingeschult" ziehen sich die Erziehungskurse wie ein roter Faden durch das Hundeleben. Vor einigen Jahren mussten die Hunde noch mindestens ein Jahr sein, damit sie an einem Erziehungskurs teilnehmen konnten. Heute wechseln die jungen Hunde oft schon mit 16 Wochen vom Welpenspiel direkt in die Junghunderziehung. Stolz tauschen sich die frisch gebackenen Hundeeltern darüber aus, wie toll der 10 Wochen alte Sprössling schon Sitz und Platz kann. Es wird trainiert und geübt und oft ist das große Ziel mit einem Jahr die Begleithundprüfung zu bestehen. Aber ist es wirklich das was wir wollen? Ein Hund der perfekt bestimmte Kommandos ausführt? Müsste unser großes Ziel nicht sein, ein Hund an unserer Seite zu haben, der uns in allen Lebenslagen vertraut und eine enge Bindung zu uns hat?
Der Hund ist das einzige Wesen auf Erden, dass dich mehr liebt, als sich selbst.
(Josh Billings).
Es gibt viele ähnliche Zitate im Internet, die genau das beschreiben und vermitteln. Aber ist die ganze Sache wirklich so einfach? Was definieren wir mit dem Begriff "Liebe"? Für mich ist es eine enge Verbundenheit, zu der Respekt vor dem anderen und Vertrauen gehören. Bekommen wir das wirklich automatisch von unseren Hunden geschenkt oder müssen wir uns das nicht auch ein Stück weit "verdienen" Müsste unser Ansatz nicht von Anfang an "Bindung vor Erziehung" lauten? Erziehung kommt nach Bindung - viele Probleme lösen sich durch Vertrauen von ganz alleine. Aber Vorsicht: anders rum funktioniert das ganze nicht. Nach der Erziehung folgt nicht automatisch die Bindung. Ein Hund der gelernt hat perfekt an der Leine zu laufen und brav "Sitz" zu machen, wird sich nicht in jeder Situation auf uns verlassen. Es ist ein einstudiertes Verhalten und hat nichts damit zu tun, dass sich unser Hund an uns bindet - uns gerne folgt.
Bei Monika (alle Namen sind wie immer geändert) ist vor einigen Wochen ein Gos-Welpe eingezogen. Monika war genau das wichtig, möglichst früh eine enge Bindung zu ihrem Balu aufzubauen. Ein Jäger gab ihr dann den Tipp, die ersten Tage komplett mit dem Welpen auf dem Fußboden zu verbringen. Als sie mir zum ersten Mal davon erzählte, hatte ich ganz viele Fragezeichen vor den Augen. Sollte das tatsächlich funktionieren? Aber dann musste ich an Astrid, dem Frauchen von Carlo denken. Carlo kam erst als erwachsener Rüde zu ihr, weil seine Vorbesitzer mit ihm überfordert waren. Carlo, so wurde er Astrid beschrieben, schnappte, wenn er sich bedrängt fühlte. Kurz vor seinem Einzug hatte sie eine Operation am Bein und war nicht sehr beweglich. Mehr der OP geschuldet, verbrachte auch Astrid die ersten Wochen ganz viel mit ihm auf den Fußboden und der Tag bestand aus gemeinsamer Ruhe und Körpernähe. Heute, zwei Jahre später ist von dem "alten" Carlo nichts mehr zu sehen. Er hat schnell gelernt seinem Frauchen zu vertrauen und hat eine enge Bindung zu ihr. Auch bei Monika und dem kleinen Balu haben sich die "Poschmerzen" vom langen Sitzen auf dem harten Boden gelohnt und sie ist total begeistert davon, wie eng sich der kleine Zwerg schon an sie gebunden hat.
Alles Einbildung oder kann man das ganze sogar wissenschaftlich belegen?! Jepp! Kann man! Das Zauberwort heißt Oxytocin und wird auch als Kuschelhormon bezeichnet. In der Neurochemischen Forschung wird der Begriff oft in Verbindung mit Begriffen wie Liebe und Ruhe, aber auch mit Vertrauen gebracht. Oxytocin beinflusst im Körper eines Lebewesens das Gefühl der Bindung und wirkt ausgleichend bei Stress. Ausgelöst wird das Hormon auch unter anderem durch die Interaktion zwischen Mensch und Hund. Hierzu zählt schon der Blickkontakt, aber auch das gemeinsame kuscheln. Auf der Internetseite vom Bundesverband Bürohund gibt es eine interessante Studie zu diesem Thema. Demnach steigt der Oxytocinlevel bei Hunden je höher dieser bei dem Menschen war. Je höher der Spiegel wiederum von beiden, je enger ist auch die Bindung.
Wäre das nicht ein viel besserer Ansatz für eine Welpenschule? Wie baue ich Vertrauen auf? Wie viele veraltete Erziehungsratschläge arbeiten noch heute genau dagegen? "Der Mensch bestimmt wann geschmust wird und jede Interaktion wird von ihm gestartet und beendet" - ein Klassiker bis heute. Oder: "Hund und Bett sind tabu" Das ist eine Sache, die ich heute sehr bereue und könnte ich die Zeit zurückdrehen: Ich würde das anders machen. Gubacca lässt sich gerne streicheln und kraulen, aber marschiert dann auch schnell wieder von sich aus in sein Körbchen. Er ist kein "Kontaktlieger" und fordert Streicheleinheiten nie ein. So ganz langsam und unbemerkt wurden so die gemeinsamen Kuschelzeiten immer weniger. Momentan versuche ich genau da wieder gegen zu steuern. Anstatt beim Lesen zum Beispiel auf dem Sofa zu liegen, sitze ich jetzt häufig auf dem Bodenkissen und siehe da, immer öfters kommt auch Gubacca jetzt dazu und lässt sich gerne den Bauch kraulen. Oder anstatt morgens hektisch beim ersten Weckerklingeln aus dem Bett zu hüpfen, kommt Gubacca jetzt 5 Minuten ins Bett und genießt es sichtlich gestreichelt zu werden. Auch mir tun die kleine Auszeiten zwischendurch sehr gut.
Während ich diesen Blogartikel zu Ende schreibe, hätten wir uns normalerweise für unseren Obedience-Kurs fertig machen müssen. ABER, ich habe uns komplett abgemeldet und wir werden nur noch alle 14 Tage zum Mantrailing gehen. Anstatt Gubacca zu trainieren, werde ich jetzt jeden Freitag nachmittag gecoacht und Gubacca dient nur als "Statist". Ich bin zwar eine Meisterin der Selbstreflektion, aber ein geübter Blick von außen ist bestimmt sehr hilfreich. Anstatt die Leinenführigkeit zu trainieren, steht jetzt der Fokus darauf: "Wie schaffe ich es, dass Gubacca sich in allen Lebenslagen stärker an mir orientiert". Ich bin gespannt was mich in den kommenden Wochen erwartet!
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Bei uns wird bei dem kalten und ungemütlichen Novemberwetter auf jeden Fall viel gekuschelt...
Linktipp/Quelle: http://bv-bürohund.de/wissenschaftliche-untersuchungen/hunde-und-oxytocin/
Fotos von Gubacca und mir: Claudia Schröer
Fotos von Gubacca und mir: Claudia Schröer
7 Kommentare
Liebe BiGu, d a s ist ein wirklich toller Beitrag, danke dafür! Den Artikel aus eurem link sollte sich jede HR (oder wie es früher hiess: Personalabteilung) genau durchlesen, wenn es mal wieder darum geht, wie man die Belegschaft gesund halten und beglücken kann. Also lieber "Bürohund erlauben" als kostenlose Gummibärchendose aufstellen ;-)
AntwortenLöschenIn der Ärzteschaft ist diese Erkenntnis schon angekommen. Mir lief neulich beim Morgengassi mein Internist beim Morgen-Jogging über den Weg. Er nahm mich in den Arm und sagte: "Toll, daß du was Anständiges und Nachhaltiges für deine Gesundheit und dein Wohlbefinden tust!" Ich gucke fragend... Antwortet er: "dein Hund sorgt dafür, dein Diabetes-Risiko und deinen Blutdruck zu senken, dein Herz-/Kreislaufsystem fit zu halten und dein Gesamtbefinden zu stärken!" Sage ich ": aber ich hab doch gar keinen Diabetes und keinen Bluthochdruck!" Grinst er: "Eben! Sag ich doch! Bedank dich bei deinem Hund ;-)" Glg aus dem Regen und schönes Sonntagskuscheln an alle, Andrea & Calito
Das stimmt Andrea, mit Hund ist man wirklich gesünder :-) und ich finde es toll, dass so viele Arbeitgeber mittlerweile nichts dagegen haben, dass der Hund mit zur Arbeit kommt. Liebe Grüße
LöschenBine & Gubacca
Da war mein kleiner Welpe wohl schlauer als ich. Sie hat die ersten Wochen praktisch auf mir gelebt. Ich konnte nirgends sitzen oder liegen ohne dass sie auf meinem Schoß kam. Leona ist eigentlich absolut kein Kuschelhund. War sie nie und wird sie wahrscheinlich auch nicht, aber sie liebte es als Welpe auf mir zu schlafen und tut das noch heute. Ich kam damit nicht ganz so gut klar, denke aber, dass unsere wirklich gute Bindung durchaus auch daher kommt. Hier wird übrigens auch immer viel Körperkontakt zu den Hunden gesucht.
AntwortenLöschenDie Erfahrung, dass Bindung wichtiger ist als Erziehung mach ich übrigens hier auch. Wir müssen uns in vielem gar nicht um Erziehung bemühen, weil die Hunde von sich aus die Sachen so machen. Und ganz ehrlich mir ist es heute nicht mehr wirklich wichtig ob meine Hunde Sitz und Platz können (können sie aber), dafür ist es mir wichtig, dass sie beim Gassigehen in Kontakt mit mir sind.
Danke für deine nachdenklichmachende Beiträge.
Liebe Grüße
Auenländerin
Danke für deinen lieben Kommentar und du "schreibst" mir aus der Seele!
LöschenLiebe Grüße
Bine & Gubacca
Liebe Bine,
AntwortenLöschendas ist (mal wieder) ein toller Beitrag. So beim Lesen fiel mir auf, dass ich besonders mit damon als er klein war diese ganz intensiven Zeiten hatte - zum einen weil er etwas kleingeraten war und manchmal tragen einfacher war und zum anderen weil er auch diese Nähe ganz bewusst gesucht hat. Er hat ja einige Wochen im der großen Bauchtasche meines Lieblingspullovers geschlafen (wir dachten schon, er wird eher Känguru als Hund. Aber zu ihm hatte ich immer auch die engste Bindung.
Wobei wir hier schon viel kuscheln und auch beim Morgenritual gehören einfach 20 Minuten nur mir und den Hunden auf dem Sofa. Cara ist meistens eine schte Schmuserin - bei Shadow ist es wie bei Gubacca - nicht immer und nicht sooo lange ;)
Ich bin gespannt, was das Coaching Dir bringt - und ich freue mich schon auf Deinen Bericht dazu!
Liebe Grüße,
Isabella mit Cara und Shadow
Bei deiner Beschreibung von Damon musste ich sofort an Chiru als Welpe denken. Da ging es mir ähnlich. Jaaaaa ich bin auch mega gespannt, was mich in den kommenden Wochen erwartet und das eine oder andere wird garantiert auch hier zum Blogthema werden.
LöschenLiebe Grüße
Bine & Gubacca
Hallo Sabine, da hast Du wieder einen tollen Beitrag geschrieben.
AntwortenLöschenGerade weil ich einen Second- Hand- Gos habe, war es mir sehr wichtig, zu meinem Finn eine gute Beziehung aufzubauen.
Wie immens wichtig die Bindung von Hund und Halter ist, wurde mir aber erst so richtig durch Anne Krüger Degener vor Augen geführt. Ein wichtiger Baustein der Harmonilogie (vor ihr entwickeltes Tiertraining) ist die Bindung und dass Du als Halter die Heimat für Deinen Hund bist oder der Hund Heimat hat bei Dir. Dafür wird sehr viel gestreichelt und geschmust.
Nun haben wir den Finn 6 Monate und 3 bis 4 Monate trainieren wir jetzt nach der Harmonilogie und es hat sich einiges getan. Der Hund, der sich nicht gerne streicheln und anfassen lassen wollte, genießt nun den Kontakt und ist schon sehr an uns angeschlossen. Wir sind auf einem guten Weg. Ich kann die Harmonilogie sehr empfehlen.
Alles andere, was er noch lernen muss, kommt später und wird auch nicht wirklich Schwierigkeiten machen, wenn die Basis und Bindung stimmt. Ich bin auch sehr gespannt auf die Berichte von Deinem Training.
Liebe Grüße Ellen & Finn
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Wir freuen uns immer riesig über Rückmeldungen.
Liebe Grüße
Bine & Gubacca