904. - 911. Tag | Kuschelzeit

November 17, 2019

Welpenspielstunde, Junghunderziehung, Erziehungskurse für das Pubertier... Einmal "eingeschult" ziehen sich die Erziehungskurse wie ein roter Faden durch das Hundeleben. Vor einigen Jahren mussten die Hunde noch mindestens ein Jahr sein,  damit sie an einem Erziehungskurs teilnehmen konnten. Heute wechseln die jungen Hunde oft schon mit 16 Wochen vom Welpenspiel direkt in die Junghunderziehung. Stolz tauschen sich die frisch gebackenen Hundeeltern darüber aus, wie toll der 10 Wochen alte Sprössling schon Sitz und Platz kann. Es wird trainiert und geübt und oft ist das große Ziel mit einem Jahr die Begleithundprüfung zu bestehen. Aber ist es wirklich das was wir wollen? Ein Hund der perfekt bestimmte Kommandos ausführt? Müsste unser großes Ziel nicht sein, ein Hund an unserer Seite zu haben, der uns in allen Lebenslagen vertraut und eine enge Bindung zu uns hat?



Der Hund ist das einzige Wesen auf Erden, dass dich mehr liebt, als sich selbst. 
(Josh Billings). 

Es gibt viele ähnliche Zitate im Internet, die genau das beschreiben und vermitteln. Aber ist die ganze Sache wirklich so einfach? Was definieren wir mit dem Begriff "Liebe"? Für mich ist es eine enge Verbundenheit, zu der Respekt vor dem anderen und Vertrauen gehören. Bekommen wir das wirklich automatisch von unseren Hunden geschenkt oder müssen wir uns das nicht auch ein Stück weit "verdienen" Müsste unser Ansatz nicht von Anfang an "Bindung vor Erziehung" lauten? Erziehung kommt nach Bindung - viele Probleme lösen sich durch Vertrauen von ganz alleine. Aber Vorsicht: anders rum funktioniert das ganze nicht.  Nach der Erziehung folgt nicht automatisch die Bindung. Ein Hund der gelernt hat perfekt an der Leine zu laufen und brav "Sitz" zu machen, wird sich nicht in jeder Situation auf uns verlassen. Es ist ein einstudiertes Verhalten und hat nichts damit zu tun, dass sich unser Hund an uns bindet - uns gerne folgt.




Bei Monika (alle Namen sind wie immer geändert) ist vor einigen Wochen ein Gos-Welpe eingezogen. Monika war genau das wichtig, möglichst früh eine enge Bindung zu ihrem Balu aufzubauen. Ein Jäger gab ihr dann den Tipp, die ersten Tage komplett mit dem Welpen auf dem Fußboden zu verbringen. Als sie mir zum ersten Mal davon erzählte, hatte ich ganz viele Fragezeichen vor den Augen. Sollte das tatsächlich funktionieren? Aber dann musste ich an Astrid, dem Frauchen von Carlo denken. Carlo kam erst als erwachsener Rüde zu ihr, weil seine Vorbesitzer mit ihm überfordert waren. Carlo, so wurde er Astrid beschrieben, schnappte, wenn er sich bedrängt fühlte.  Kurz vor seinem Einzug  hatte sie eine Operation am Bein und war nicht sehr beweglich. Mehr der OP geschuldet, verbrachte auch Astrid die ersten Wochen ganz viel mit ihm auf den Fußboden und der Tag bestand aus gemeinsamer Ruhe und Körpernähe. Heute, zwei Jahre später ist von dem "alten" Carlo nichts mehr zu sehen. Er hat schnell gelernt seinem Frauchen zu vertrauen und hat eine enge Bindung zu ihr. Auch bei Monika und dem kleinen Balu haben sich die "Poschmerzen" vom langen Sitzen auf dem harten Boden gelohnt und sie ist total begeistert davon, wie eng sich der kleine Zwerg schon an sie gebunden hat. 

Alles Einbildung oder kann man das ganze sogar wissenschaftlich belegen?! Jepp! Kann man! Das Zauberwort heißt Oxytocin und wird auch als Kuschelhormon bezeichnet. In der Neurochemischen Forschung wird der Begriff oft in Verbindung mit Begriffen wie Liebe und Ruhe, aber auch mit Vertrauen gebracht. Oxytocin beinflusst im Körper eines Lebewesens das Gefühl der Bindung und wirkt ausgleichend bei Stress. Ausgelöst wird das Hormon auch  unter anderem durch die Interaktion zwischen Mensch und Hund. Hierzu zählt schon der Blickkontakt, aber auch das gemeinsame kuscheln. Auf der Internetseite vom Bundesverband Bürohund gibt es eine interessante Studie zu diesem Thema. Demnach steigt der Oxytocinlevel bei Hunden je höher dieser bei dem Menschen war. Je höher der Spiegel wiederum von beiden, je enger ist auch die Bindung.


Wäre das nicht ein viel besserer Ansatz für eine Welpenschule? Wie baue ich Vertrauen auf? Wie viele veraltete Erziehungsratschläge arbeiten noch heute genau dagegen? "Der Mensch bestimmt wann geschmust wird und jede Interaktion wird von ihm gestartet und beendet" - ein Klassiker bis heute. Oder: "Hund und Bett sind tabu"  Das ist eine Sache, die ich heute sehr bereue und könnte ich die Zeit zurückdrehen: Ich würde das anders machen. Gubacca lässt sich gerne streicheln und kraulen, aber marschiert dann auch schnell wieder von sich aus in sein Körbchen. Er ist kein "Kontaktlieger" und fordert Streicheleinheiten nie ein. So ganz langsam und unbemerkt wurden so die gemeinsamen Kuschelzeiten immer weniger. Momentan versuche ich genau da  wieder gegen zu steuern.  Anstatt beim Lesen zum Beispiel auf dem Sofa zu liegen, sitze ich jetzt häufig auf dem Bodenkissen und siehe da, immer öfters kommt auch Gubacca jetzt dazu und lässt sich gerne den Bauch kraulen. Oder anstatt morgens hektisch beim ersten Weckerklingeln aus dem Bett zu hüpfen, kommt Gubacca jetzt 5 Minuten ins Bett und genießt es sichtlich gestreichelt zu werden. Auch mir tun die kleine Auszeiten zwischendurch sehr gut.




Während ich diesen Blogartikel zu Ende schreibe, hätten wir uns normalerweise für unseren Obedience-Kurs fertig machen müssen. ABER, ich habe uns komplett abgemeldet und wir werden nur noch alle 14 Tage zum Mantrailing gehen. Anstatt Gubacca zu trainieren, werde ich jetzt jeden Freitag nachmittag gecoacht und Gubacca dient nur als "Statist". Ich bin zwar eine Meisterin der Selbstreflektion, aber ein geübter Blick von außen ist bestimmt sehr hilfreich. Anstatt die Leinenführigkeit zu trainieren, steht jetzt der Fokus darauf: "Wie schaffe ich es, dass Gubacca sich in allen Lebenslagen stärker an mir orientiert". Ich bin gespannt was mich in den kommenden Wochen erwartet!



Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Bei uns wird bei dem kalten und ungemütlichen Novemberwetter auf jeden Fall viel gekuschelt...


Linktipp/Quelle: http://bv-bürohund.de/wissenschaftliche-untersuchungen/hunde-und-oxytocin/
Fotos von Gubacca und mir: Claudia Schröer

  • Share:

You Might Also Like

7 Kommentare