632. + 633. Tag | Blickwechsel: Wie ist Bine als Frauchen?

Januar 29, 2019

Genüßlich räkele ich mich in meinem Körbchen und schubse Knut ein Stück zur Seite. Bine schläft noch und ich werfe einen Blick zur Uhr: 6.30 Uhr. Immer dieses frühe Aufstehen... gleich wird Bine wieder wie ein Blitz aus dem Bett hüpfen und sich zur Morgenrunde fertig machen. Von 0 auf 130, das kann sie morgens fast so gut wie ich. Und wer muss immer mit aufstehen?! ICH! Herrchen schläft doch auch immer viel länger... würde ich auch gerne... seufz. Aber Bine lässt da nicht mit sich verhandeln. Also marschiere ich tapfer mit. Wobei ich auch zugeben muss, wenn ich dann einmal aus dem warmen Korb gekrochen bin und unterwegs bin, macht es ja doch Spaß.



Unsere gemeinsame Morgenrunde geht immer beim Bäcker vorbei. Heute sind wir für unsere Verhältnisse spät dran und der alte Golden-Retriever Benni und die anderen warten schon vor der Tür auf ihre Frauchen. Lotte und Bagira haben natürlich wieder die Plätze auf der Bank ergattert. "Hey Gubacca, verschlafen oder musstest du erst deine Haare stylen?", begrüsst Benni mich schon von weiten, damit auch garantiert alle Köpfe in meine Richtung "fliegen" und meine Frisur kritisch beäugen. Mittlerweile kenne ich Benni aber gut und weiß, dass er es nicht böse meint. "Wenn' s das nur gewesen wäre, Benni. Ich hätte heute gerne noch 10 Minuten länger im Korb gelegen. Ich musste wieder locker an der Leine laufen... muss ich mehr zu dem Thema sagen?" "Boah, diesmal ist dein Frauchen aber hartnäckig mit eurem Training", witzelt der kleine Rüde Timy und prahlt sofort, wie toll er das doch kann. Mit den kurzen Wurstbeinchen und dem Übergewicht, würde ich auch hinter Bine herschleichen, denke ich mir und schenke Timy mein schönstes Hundelächeln. "Noch ist da nicht das letzte Worte gesprochen - du weißt ja, ich kann auch sehr hartnäckig sein. Außerdem geht es hier nicht um können, sondern um wollen. Schließlich bin ich ein Hütehund, dem wurde die hohe Intelligenz ja praktisch mit in die Wiege bzw. in das Körbchen gelegt!" Wobei ich ja insgeheim zugeben muss, dass ich zuerst überhaupt nicht verstand was Bine von mir mit ihrem wilden Gehopse wollte. Aber das werde ich natürlich dem "zarten Reh" Timy nicht auf die Nase binden. Monatelang durfte ich an der Flexi die vollen fünf Meter genießen. Dann auf einmal laufen wir nur noch mit dem kurzen Teil und Bine springt ständig vor mir her und versperrt mir den Weg. Am Anfang dachte ich noch "hey das ist aber ein tolles Spiel und gab erst recht Gas". Kaum war ich dann aber an ihr vorbei, blieb sie einfach stehen... Irgendwann dämmerte mir dann was sie wollte... ich sollte künftig immer und überall an der lockeren Leine neben ihr herlaufen. Naja sage ich nur. Jeder, der mich kennt weiß: Nach immer und überall folgt garantiert ein "Wie ist die Ausnahme von der Regel - das geht doch bestimmt auch anders".




Der alte Benni verzieht sein Gesicht und seufzt. "Das waren noch Zeiten als ich vorlaufen konnte... Heute ist mein Frauchen schon glücklich, wenn sie nicht alle fünf Meter stehen bleiben und auf mich warten muss. So ändern sich die Zeiten. Erst vorne weg und dann kraucht man auf allen vieren hinterher. Sei froh, dass du noch so jung bist, Gubacca!" "Der heißt doch gar nicht mehr Gubacca! Das ist doch jetzt Dennis", brummt Anton. Oje - das musste ja wieder passieren: Anton' s Frauchen hat wieder Bines Blog gelesen. Und die alte Petze muss natürlich wieder alles sofort ausplaudern. "Wie, jetzt nicht mehr Kevin?", fragt mich Benni und hat ein breites Grinsen im Gesicht. "Ihr kennt doch Bine, aus jeder Mücke wird ein Elefant gemacht und sie schreibt einen Blogartikel darüber. Kaum schlage ich mal ein bisschen über die Stränge, stürzt sie förmlich an den Computer und recherchiert, wie sie sagt. Ein neuer Kevin-Artikel lässt dann nicht lange auf sich warten... Sie amüsiert sich dann immer köstlich beim Schreiben. Nicht, dass Bine einen Hang zur Übertreibung hätte... nein, doch nicht Bine! Aber ihr kennt ja den Spruch: Ist der Ruf erst ruiniert... lebt es sich ganz ungeniert. Von daher gönne ich ihr den Spaß."




"Da muss ich dir ausnahmsweise mal recht geben, Gubacca. Wer nur von dir liest und dich dann in natura erlebt... Da liegen Welten zwischen", mischt die kleine Lotte sich ein. Hat sie dabei mit den Augen gezwinkert? Irgendwie liegt da was in der Luft, worüber ich jetzt lieber nicht weiter nachdenke. "Und in der Zeitung warst du ja auch mit einem sooo schönen Bild!!!" Flirtet Lotte da gerade mit mir? Das passt natürlich dem doofen Timy nicht und er muss mir einen Seitenhieb verpassen: "Jau, habe ich auch gesehen. War das wieder niedlich Gubacca! Du mit deinem SPIELZEUGHUND Knut und einem roten Mützchen..." Blödmann! Beim nächsten Mal streike ich, wenn Bine mit der Kamera kommt. Ab sofort gibt es nur Fotos vom sportlichen Gubacca. Ich lasse mich doch nicht vor den anderen lächerlich machen, brodelt es in mir. "Lass mal gut sein, Timy", mischt sich dann aber Anton ein. "Wer von uns wäre nicht gerne auch mal in der Zeitung. Gestern die Bilder auf dem Blog von dir und deinen Aussie-Freunden waren klasse, Gubacca. Da hattet ihr aber viel Spaß und Wasser war auch wieder mit im Spiel, wie ich gesehen habe. Hat deine Bine nicht gemeckert, dass du wieder wie ein Wildschwein ausgehen hast?" "Neeee Anton, meine Bine ist da locker und hat nur gelacht. Sie hat sich gefreut, dass ich viel Spaß hatte und mich noch angefeuert, als ich mit Bogart und den anderen um die Wette rannte."




"Oha, das hätte ich bei meinem Frauchen nicht gedurft", wirft Anton in die Runde. "Na, dafür darfst du im Bett schlafen und ich nicht", antworte ich ihm. "Ach ja, stimmt ja - die Regeländerung Gubacca. Gilt die immer noch?" "Jepp, aber gibt schlimmeres. Dafür besitze ich ja drei Schlafkörbe. Einen sogar mit besonders rückenschonender Matratze. Wer will da noch im Bett schlafen. Der Korb war bestimmt teurer als Bines Matratze", lache ich. "Wie sind denn so eure Frauchen", wirft die junge Hündin Bagira in die Runde. Bagira kommt ursprünglich aus Ungarn und lebt erst seit einer Woche bei ihrer neuen Familie. Sie hat in Ungarn auf der Straße gelebt und für sie ist noch alles fremd und ungewohnt. "Mein Frauchen ist super", quieckt das "zarte Reh" natürlich wieder als erster los. "Ich darf einfach ALLES!" "Mein Frauchen ist auch sehr nett und ich mag sie sehr", beteiligt sich Anton am Gespräch. "Naja, ich darf nicht alles, aber mit zunehmenden Alter werden die Regeln doch immer lockerer", schmunzelt Benni. Schnell übertrumpfen die drei Rüden sich gegenseitig und ihre Frauchen mutieren in ihren Erzählungen zu wahren "Superwomen". Jetzt richten sich alle Blicke auf mich: "Und wie ist deine Bine?", fragt mich Bagira.

Wie ist meine Bine? Klar, einen Rüden hätte ein einfaches "klasse" ausgereicht. Die Mädels sind wieder gefühlsbetonter und wollen mehr wissen. Ein bisschen ratlos schaue ich den alten Benni an. "Typisch Jungspund wieder", brummelt er vor sich hin. "Die schämen sich über Gefühle zu sprechen." "Ich kann das halt nicht mit den Beschreibungen von Bändern der Freundschaft und den ganzen Firlefanz. Ich bin ein Spanier und kein Tibeter." "Na die Spanier sollen aber sehr heißblütig sein", kommt prompt von Lotte und dabei schaut sie mich schmachtend an.




"Wie soll man jemanden fremden sein Frauchen beschreiben, überlege ich? Ich bin Bines fünfter Hund - aber der erste große, wie sie mir mal erzählt hat. Das hat sie, glaube ich, am Anfang etwas nervös gemacht und sie wollte bei mir nix falsch machen. Dabei bin ich doch recht klein und handlich geblieben mit meinen 24 Kilogramm. Ich glaube Bine hatte immer einen Wolfshund vor sich gesehen, wenn sie in der Welpenzeit an den erwachsenen Gubacca gedacht hat. Vom Charakter sind wir beide uns zum Glück sehr ähnlich. Bei manchen Eigenschaften war das am Anfang aber nicht immer nur ein Vorteil. Wir sind zum Beispiel in fremden Situationen beide sehr schnell gestresst und es fällt uns dann schwer ruhig und geduldig zu bleiben. Mittlerweile haben wir da aber beide an uns gearbeitet und es funktioniert schon viel besser. Eine Eigenschaft, die ich an meiner Bine sehr mag, ist ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sie sagt zwar immer, das hätte nichts mit mir zu tun, sondern wäre berufsbedingt (30 Jahre mit Sozialarbeitern hinterlassen Spuren), aber ich finde das toll. Wer bekommt schon gerne immer die Schuld alleine in die Schuhe geschoben. Bei uns überlegt Bine immer zuerst was sie falsch gemacht haben könnte. Manchmal übertreibt sie das aber auch und nimmt Dinge zu persönlich. Nur weil ich manche Rüden nicht leiden kann, hat sie mich nicht schlecht sozialisiert. Es gibt ja genug Hunde, mit denen ich sehr wohl gut klar komme und ich möchte ja nur mal an mein vorsichtiges agieren mit den drei jungen Aussies erinnern. Da muss Bine  noch lernen, einige Dinge einfach als normales Verhalten in der Entwicklung zu bewerten und gelassener zu sein. Auch mit meiner Futtermenge müsste sie nicht so penibel sein. Ok, ich muss zugeben, der Tierarzt hat beim letzten Mal gesagt, ich sollte nicht schwerer werden. Aber von einem kleinen Stück Wurst oder mal ein Stück Käse zwischendurch ist noch kein Hund fett geworden. Da ist Herrchen deutlich lockerer und schneller zu motivieren, die Kühlschranktür zu öffnen.




Aber Bine' s Pingeligkeit hat auch viele gute Seiten. Was habe ich am Anfang gemurrt, wenn sie auf meine Ruhezeiten gepocht hat. Heute fällt es mir total leicht abzuschalten und einfach nur zu dösen. Ich bin aber alles andere als eine Schlaftablette und zum Glück ist Bine sportlich. Ich finde es herrlich  neben ihren Rad herzuflitzen. Im Sommer ist sie unermüdlich in den kalten Kanal marschiert, damit ich meine Angst vor dem Schwimmen verliere und überhaupt haben wir immer viel Spaß miteinander. Wo es ihr noch ein bisschen fehlt? Sie könnte mehr Vertrauen zu mir haben. Nur weil ich einmal einen Abstecher in eine andere Richtung mache, bin ich nicht sofort weg. Ich weiß schon wo sie ist und werde sie auch garantiert wiederfinden. Für was mache ich schließlich meine Mantrailer-Ausbildung?! Da ist das doch meine leichteste Übung. Sie macht sich manchmal einfach zu viele Gedanken, was alles passieren könnte. Zum Beispiel beim Radfahren, wenn uns Hunde entgegenkommen. Anfangs hat sie immer befürchtet, ich würde dann in die Räder laufen und hat angehalten. Bin doch nicht blöde. Einfach darauf vertrauen, dass ich locker und brav daran vorbeilaufe. Bine sagt dann immer "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste". Naja - ich würde sagen, sie hört zu oft die Flöhe husten.

So leicht ich sie manchmal mit meinen Verhalten aus der Reserve locken kann - beim Thema "Dirty Gubacca" bleibt sie vollkommen cool. Da ist Herrchen zum Beispiel ganz anders und ich amüsiere mich oft köstlich über sein entsetztes Gesicht, wenn ich vollkommen verdreckt vom Spaziegang mit Bine komme. Bine lacht darüber nur und ihr ist es wichtig, dass ich richtig Spaß hatte. Dafür macht sie auch echt viel. Mantrailing, jetzt neuerdings Crosstraining, Verabredungen mit meinen Hundekumpels, Radbegleithund, im Sommer schwimmen... langweilig ist mein Leben nicht und ich liebe die Abwechslung... Trotzdem kräht auch kein Hahn danach, wenn ich einfach mal meine Ruhe haben möchte. Ich schmuse zwar recht gerne, aber ich liebe es auch mal für mich allein nur die Haustür zu bewachen. Ich finde es passt einfach mit uns beiden. Was soll man da viele Worte drum machen. Ein "Wir haben viel Spaß und ich liebe meine Bine sehr", damit ist für mich eigentlich alles gesagt.


Zum Glück kam Bine auch in dem Moment mit der Brötchentüte und machte meine Leine los. "Denk dran Gubacca, immer schön im Gleichschritt mit deinem Frauchen", rief mir Benni noch nach. "Aber logisch, Benni. Bis zur nächsten Straßenecke! Bis morgen!"Ausnahmsweise war ich mal nicht traurig, mich schnell verabschieden zu müssen und ich lief erleichtert nach Hause...

***********************

*Fotos: Claudia Schröer - Vielen Dank für die schönen Bilder Claudi!

  • Share:

You Might Also Like

0 Kommentare