Nachgefragt: Einmal Gos - immer Gos?!

August 03, 2018

In den letzten Wochen wurde ich öfters angeschrieben und gefragt, ob der Gos eine schwierige Rasse ist und wieviel Hundeerfahrung man haben sollte. Jetzt ist Gubacca noch recht jung und ich weiß ja nie: Ist das typisch Gos oder einfacher größenwahnsinniger "Kevin". Ich habe mich daher sehr über den Erfahrungsbericht von Ina über ihren Gosrüden Gustav gefreut. Meiner Meinung zeigt er perfekt was mit einem Katalanischen Schäferhund alles auf einen zukommen kann - aber auch wie toll er sich in eine Familie mit Kind bzw. Kindern einfügt.  Viel Spaß beim Lesen und dir Ina ein riesen Dankeschön für den tollen und vor allem auch informativen Erfahrungsbericht!




Gustav & Ina

Liebeserklärungen an den Gos d' Atura Catala haben wir bereits einige gelesen - absolut zurecht! Bei meinem 2 1/2-jährigen Exemplar "Gustav" musste ich kurz nachdenken, ob es eine Horrorgeschichte, ein spannender Krimi oder eine Komödie werden sollte. Da Lachen ja bekanntlich gesund ist, wurde es eine Horrorkomödie, aber ganz anders. An manchen Stellen habe ich meinem Gustav menschliche Worte ins Maul gelegt. Die Tendenz stimmt selbstverständlich, aber da ein Gos-Blick mehr sagt als 1000 Worte, sind diese Übersetzungen ohne Gewähr. Ich wünsche euch viel Spass beim Lesen. 

Mein Männlein: Gustav

Nachdem ich meine Jule (12, Deutsch Kurzhaar) über die Regenbogenbrücke gehen lassen musste, stand schnell fest, dass wieder ein Hund bei uns einziehen sollte. Jule hatten wir ab dem Welpenalter vom Züchter, nun wollten wir einem Hund aus dem Tierschutz eine Chance auf ein schönes Leben geben. Die Wahl fiel schnell auf den zehn Monate alten Gustav aus dem spanischen Tierschutz. Die Angabe war "Mischling" von der spanischen (!) Polizei aus einem Hinterhof gerettet. Klapperdürr, verfilztes Fell, ein Meter lange Kette, kaputte Plastikbox, aber trotziger Blick. Im Shelter zeigte er bereits sein bestes Grinsen auf den Fotos. Als kinderlieb wurde er angepriesen, was bei meiner damals 9-jährigen Tochter ja durchaus wünschenswert war. Tja, leider stimmte das ebenso wenig wie Mischling. Da ich nun keine total dusselige Kuh bin, sondern damals gar im biologischen Bereich etwas rum studiert habe, war mir bevor Gustav ankam in Deutschland schon klar, dass es entweder ein Briard-Mischling, ein Gos-Mischling oder ein reinrassiger Gos war. Ansonsten wäre ich sehr schnell, sehr überrascht gewesen aufgrund der Triebstärke, die in diesem total verängstigten Fellbündel schlummerte. Aber: eins nach dem anderen. 


Gustav heute und links mit 10 Monaten

Wir holten Gustav in Hamburg ab. Die ganze 5-stündige Rückreise (nach 24-stündigem Transport) saß ich neben ihm. Ich habe ihn weitestgehend in Ruhe gelassen, er kugelte sich schnell neben mir ein. Zu Hause lernte er dann meine Tochter kennen - alles soweit ok, gemessen an dem Zustand in dem er ankam. Er war mit 10 Monaten noch nie "drinnen" gewesen, das Konzept hat er aber binnen einem Tag verstanden, was so sämtliche Körperausscheidungen angeht. Glücklicherweise, kann die Gartentür bei uns immer offen bleiben, das nahm Gusti dankend an. Bei allem, was ihm Angst machte, rannte er in den Garten und verkroch sich unter einem Podest. Das Öffnen einer Sprudelflasche reichte bereits, um ihm Angst einzujagen. Er lernte jedoch rasend schnell. 

Zum Thema kinderlieb stellte sich heraus, dass Grundschulkinder ihm furchtbare Angst einjagten, besonders in Grüppchen. Ich holte meine Kleine von der Schule ab, Gustav erkannte "Schule - - > Schulkinder" und stemmte sich mit aller Kraft wieder Richtung nach Hause. Ein anderes Mal hat er unter sich gepinkelt, weil einige Freunde meiner Tochter auf ihn zu kamen und es war kein Trupp von Chaoten. Man was tat das Männlein mir leid. Es zeichnete sich schnell ab, dass Gustav nur die allerschlimmsten Erfahrungen mit Grundschulkindern gemacht hatte. An Nele (mein Mädel) gewöhnte er sich schnell und baute Vertrauen auf. An Menschen im Allgemeinen musste er sich gewöhnen, Menschen mit Stock oder Schirm sind aber immer noch schwierig. 

So, jetzt haben wir den Horrorteil hinter uns (und vor allen dingen Gustav hat diese furchtbare Zeit hinter sich), widmen wir uns nun der kleinen Gos-Kunde: Der Rasse-Standard besagt:"Sehr zurückhaltender, lebhafter und intelligenter Hund, mit edlem Blick, schätzenswertem, derb ländlichem Wesen, dem Schäfer und der ihm anvertrauten Herde aufopfernd ergeben. "Jap, trifft's voll, besonders das "derb, ländliche Wesen!

Der Gos ist unter den Hütehunden ein Allrounder: Er bringt Eigenschaften von Hütehunden, Treib- und Herdenschutzhunden mit. Also für mich bedeutete das "übersetzt" dann: ein innerhalb der Familie geselliger Herdenschützer. Passte mir prima, ich mag zu viele Leute um mich rum auch nicht und zu Hause schon gar nicht. Ich empfand ihn von Anfang an als sehr gelehrig und aufmerksam. Er kommuniziert extrem deutlich und sucht meinen Blickkontakt. Nachdem er Vertrauen gefasst hatte, gingen wir die erste Baustelle an: Nachbarn. Die wurden heftigst verbellt am Zaun. Leider war es Ende Oktober und das Wetter entsprechend, so dass ich meine Nachbarn nicht mal eben draussen Aufstellung beziehen lassen konnte, in unterschiedlichen Abständen zum Zaun. Krähen und Tauben mussten daher herhalten, den Abstandswarner bei Gustav einzustellen, zum Glück piepst er nicht, wie im Auto. Beim  zweiten Nachbarn darf er anzeigen, dass dort eine Krähe ist, beim direkten Nachbarn darf er Anschlagen, nur über unserem Grundstück darf er reagieren. Tja, was soll ich sagen, jetzt feiern die Nachbarn Feste im Garten, sie werden beobachtet, aber sie dürfen definitiv ihren Garten nutzen, mit Gästen.

(links: Gustav ist mittlerweile eine "coole Socke" | rechts: Spielen mit der Familie ist toll)


Krähen mag er aufgrund dieser Lernerfahrung natürlich nicht mehr, aber hier zeigte sich, dass der Herdenschutzhund und der Hütehund sehr nah beieinanderliegen. Ich habe eine bipolare Störung, aber so schnell wie bei Gustav, sind meine Stimmungswechsel nicht. Er war mit meiner Mutter unterwegs und sah seine Lieblingsfeinde, die Krähen in der Siedlung meiner Mutter - meine Mum war jetzt nicht so aufmerksam, Gustav preschte zu den Krähen (was er bei mir selbstverständlich nicht einfach so darf) verbellte sie und oha, eine kleine Krähe hing an einem Ast fest. Meine Mutter hatte schon die schlimmsten Befürchtungen, unbegründet. Gustav verjagte die Krähen, sah die kleine, rannte hin und legte sich vor sie. Hätte die Kleine nicht wüst um sich gepickt, hätte sie ein Schlabberküsschen bekommen. 

Mit anderen Hunden ist Gustav sozial, auch wenn Hundesprachenlegastheniker das unter Umständen anders sehen. Eine gewisse Leinenaggression kann ich nicht leugnen, aber dies nicht nur Hunden gegenüber. Ist ihm durch die Leine ein Fluchtweg genommen, reagiert er deutlich aggressiver als er das ohne Leine täte. Bei einem misshandelten Kettenhund aber irgendwie verständlich. Auch hier lernte er schnell, dass der Bürgersteig unserer Strasse sehr schmal ist und es eben nur so eng möglich ist, aneinander vorbeizukommen. Zwei Monate, kein Thema mehr. In seinem Revier heisst das im Umkehrschluss aber auch: wenn Platz ist, dann nutz den gefälligst auch, blöder Jogger. Ausserhalb seines Reviers und im Urlaub stört ihn das alles nicht: Jogger, Menschen mit Schirmen, galoppierende Pferde, unkastrierte Rüden - immer vorausgesetzt das alles spielt sich nicht zu nah an dem kleinen Schaf (Nele) ab. Gustavs Blick und die Körperhaltung sprechen hier Bände: "Hey Frauchen, ich seh das schon alles, aber das ist nicht mein Revier, soll sich wer anders drum kümmern." Mit meiner Mutter und Gustav, war ich samstags in Aachen essen. Ziemlich voll das Städtchen, meine arme Mum hatte vor Aufregung (Herrje, der Hund ist dabei!) den Blutdruck locker auf 180, war sie Gustav bislang nur in seinem Revier gewöhnt. Ha, die hat gestaunt, wie egal ihm plötzlich der ganze Tumult war und im Restaurant staunten Leute, die erst später als wir dort hinkamen, dass sich ein ziemlich beachtlicher Hund unter dem Tisch hervorschälte.

Sein bester Kumpel hat mal eine Schäferhündin angerüpelt - Gustav blafft mit, schnuppert, guckt, merkt, dass es eine Hündin ist, dreht sich um und blafft seinen Kumpel an:" Alter, bist du doof? Das ist'n Mädchen!" Auslauf, gerne mit Hundekumpels, ist ein fester Bestandteil des Rund-um-glücklich-Pakets. Jedoch liebt Gustav nichts mehr als Schwimmen. Sommer, Winter, wurscht!

In der Hundeschule zeigt er sich als dickköpfiger Streber. Wir besuchen den" Activity-Kurs". Hier werden Elemente aus dem Agility, Trick-Dog, Obedience, Konzentrationstraining usw. angeboten. Das ist abwechslungsreich und Gustav bereitet das grosse Freude. Das jeweilige Kursziel erreicht er nach maximal 15-20 Minuten und verweigert dann. Die anderen Wuffs führen entweder ihre Besitzer an der Nase rum, checken es nicht, oder sind mit Feuereifer dabei, begreifen aber halt auch langsamer. Wenn Gustav meint, er beherrscht eine Übung und es wird nichts geändert (neue Position, neue Höhe o.ä.), dann ist Schluss. Hierzu fällt mir gerade sinngemäß, hab das Original nicht zur Hand, ein Zitat von Mirjam Cordt, aus ihrem Buch über Herdenschutzhunde ein (lesenswert!!!) : Natürlich kann man einem HSH Tricks beibringen, aber die Art der Ausführung und die Dauer der Performance unterscheiden sich doch erheblich vom Deutschen Schäferhund oder Labrador. - BAM- genau das, voll getroffen. Wenn Gustav Lust hat, können wir witzige Tricks mit ihm Üben, wenn er keinen Bock hat bekommt man entweder den BLICK oder er pöbelt. Setzt sich auf den Arsch, haut mit den Vorderpfoten und grinst: "Mach ich nicht, mach ich nicht!"

Bei Kommandos wie Stopp, oder Anleinen gehorcht er immer, aber unnützes Zeug, da muss der Herr zu aufgelegt sein. Wenn ich ihn einfach nur so gerufen habe anfangs zum Erlernen des Signals, guckte er mich an "Ist doch nix?! Was soll der Scheiß?" Der Kompromiss ist: Ich rufe ihn nur, wenn etwas ist. Erschliesst sich das dem Schnuffelwuffel nicht sofort, rufe ich erneut, etwas nachdrücklicher, dann kommt er und stellt fest:"Die hatte doch recht, da war was!" 



Beim Schreiben schmunzel ich gerade, weil ich mir das Gesicht meiner Tochter vorstelle, wenn ich sie einfach nur so, mal rufen würde. An der Haustür bestimme ich, wer rein darf, manchmal sieht Gustav das allerdings ganz anders. Ich lasse zum Beispiel den Schornsteinfeger rein, er grummelt vor sich hin, kassiert von mir den eben bereits beschriebenen BLICK und geht in den Garten - natürlich ohne den Schornsteinfeger aus den Augen zu lassen und brummelt sich etwas in den Gos-Bart:"Grrr, jetzt lässt die Alte wieder Fremde rein, passt mir gar nicht. Pah. Aber ich rette sie trotzdem, wenn etwas ist!" Pizzaboten, Postboten, irgendeine Person die an die Tür kommt und nur etwas abgibt, findet er super. Zeugen Jehovas konnte ich noch nicht ausprobieren.

Konsequenz darf bei den Gos d' Atura Catala nicht mit Härte oder unnötiger Strenge verwechselt werden, das werden sie einem krumm nehmen. Den Gos kann man nicht in seine Unterwerfung brüllen. Ich lehne derartige Methoden grundsätzlich ab, sie werden meiner Meinung nach überwiegend von Männern angewendet, die nicht ernst zu nehmen sind. Wichtig kommt von Wicht. Das meistens weibliche Pendant hierzu ist die Schissbuxe. Angst vor allem, vorallendingen vor anderen Menschen, Hunden, wobei schwarze Hunde immer viel gefährlicher sind als helle Hunde, Angst vor Dunkelheit, Angst vor sich selbst - und dann ein Gos mit Schutztrieb und Mannschärfe, extrem interessant, die Kombi.

Es sind kluge Hunde, die kluge Besitzer auch durchaus zu schätzen wissen. Sie nutzen jedes Schlupfloch an Nachlässigkeit, um etwas ausschliesslich auf ihre Art zu tun. Begreifen sie aber, dass sich letztendlich oft ein Sinn ergeben hat, wenn Frauchen wieder komische Ideen hatte, probieren die Wuffs auch gerne Neues aus. Das Gos-Dickköpfchen möchte Aufgaben bekommen und Neues lernen. 



Gustis Rüpelkumpel von eben war angeleint, nach der Runde, Gusti noch nicht, wir gingen einen anderen Weg. Rüpelhund macht zwei Hündinnen an der Leine an, die mischen mit, Gustav schiesst dahin, in einem MordsTempo - obwohl ich "Verdammte Sch...., das gibt Ärger!" dachte, fand ich blitzartig mein inneres Ommm und sagte tatsächlich überzeugt ruhig:" Gustav, komm." Gustav raste einmal zwischen Rüpel und den zwei Hündinnen durch, knurrte einmal ohne stehen zu bleiben und schoss zurück zu mir. Die drei anderen Besitzer, deren Hunde sich noch immer ankeiften, staunten! HA!

Wir lieben unseren Gustav und er ist immer gerne überall dabei. Den Freund meiner Tochter mag er mittlerweile auch. Wir haben einen Ausflug gemacht, wo man auch mal hintereinander gehen musste und Gustav wartete dann, schaute jeden aus der Gruppe an, erschnupperte nochmal jeden und dann ging es weiter - voll süss, der zählt durch! Wenn man sich einem Hund gewachsen sieht, der mega territorial ist und Schutztrieb hat, ist der Gos ein absolut perfekter Familienbegleiter.Es gibt zig Hunderassen. Mit meiner Jagdhundhündin Jule ging ich ins Feld und musste beobachten, was sie anzeigt, dann war sie zuverlässig abrufbar. In Gustis Revier muss ich nach sich nähernden Gefahren für mich umschauen! Ich finde es total händelbar und sogar irgendwie niedlich, wollte er gestern doch zu einem kleinen Jungen, der sich ins Wasser hat fallen lassen. Wenn ihr bis jetzt aufmerksam durchgehalten habt: kleine Jungs sind nicht Gustavs Lieblingsgruppe, trotzdem wollte er gucken, ob er helfen kann. 💜

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Danke Ina!

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